Studieren in Witten mit Vorkenntnissen

In einem früheren Bericht habe ich Dir erzählt, wie es für mich war, in Witten ohne Vorkenntnisse zu studieren. Jetzt folgt der zweite Part dieser Reihe, und zwar wie sich das Studium mit medizinischen Vorkenntnissen gestaltet. Dazu habe ich ein Interview mit einer Kommilitonin geführt, die Vorkenntnisse im medizinischen Bereich hat. Im folgenden Bericht habe ich ihre Antworten auf meine Fragen zusammengeführt.

Lisa hat vor Beginn ihres Studiums eine Krankenpflegeausbildung gemacht und zusätzlich Pflegewissenschaften studiert. Dieses Studium hat sie mit einem Bachelor erfolgreich abgeschlossen. Der Wunsch, Medizin zu studieren, entwickelte sich erst viel später, nämlich während ihrer Ausbildung. Ihr fiel auf, dass sie besonderen Spaß an den medizinischen Themen im Unterricht gehabt hatte. Auch in den Praxiseinsätzen und später bei der Arbeit merkte sie, dass sie gerne bei den Visiten mitlief und aufmerksam zuhörte, wenn die Ärzte etwas erklärten. Nichtsdestotrotz machte ihr die Pflege enorm viel Spaß, weshalb die Entscheidung, Medizin studieren zu wollen, gar nicht so einfach war. Ausschlaggebend waren letzten Endes die Einschränkungen bei den Therapien: Sie wünschte sich mehr Entscheidungsfreiheiten bei der Therapie ihrer Patienten. Dies kann sie aber nur als Ärztin, weshalb sie sich entschloss, nochmals zu studieren.

Bewerbung

Zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung in Witten hatte Lisa gerade ihre Bachelorarbeit abgegeben und arbeitete als Krankenpflegerin auf einer Station für Innere Medizin/Nephrologie. Sie war 24 Jahre alt und lebte schon seit 4 Jahren in einer WG. Vor der Zusage kamen ihr immer wieder Zweifel bezüglich ihres Alters. War sie etwa schon zu alt zum Studieren? Sollte sie es einfach dabei belassen?

Nach der Zusage aus Witten bekam sie gemischte Reaktionen. Während die meisten Freunde und Familienmitglieder sich für sie freuten und unterstützend waren, gab es einige ablehnende Reaktionen von ihren Kollegen. Einige fragten sie: „Was ist denn mit dem Pflegemangel? Bist du dir zu gut für die Pflege?“ Sie wurde von manchen für arrogant gehalten. Dabei liebt sie noch heute den Pflegeberuf und beschreibt ihren Werdegang sehr schön in einem Satz: „Ich bin Ärztin im Kopf, aber mein Herz schlägt für die Pflege.“ Natürlich haben sich auch viele Kollegen für sie gefreut und ihr alles Gute auf ihrem weiteren Berufsweg gewünscht. Danach hat Lisa weiterhin in ihrem Job gearbeitet, das Arbeitsverhältnis war jedoch nicht mehr dasselbe. Es wurde etwas angespannter. Das hat sie jedoch nicht abgeschreckt Medizin zu studieren, sondern nur weiter in ihrer Entscheidung bestärkt.

Umzug

Der nächste Schritt war für sie also nach Witten zu ziehen. Obwohl Lisa schon seit einer Weile aus ihrem Elternheim ausgezogen war, lebte sie nach wie vor in ihrer Heimatstadt. Witten war also ein neues Pflaster. Die Stadt war für sie neu und die Menschen ebenfalls. Hier musste sie sich erst ein neues soziales Umfeld aufbauen.

Studium

An der Uni selbst halfen ihr ihre spezifischen medizinischen Vorkenntnisse erst im zweiten Semester. Das Studieren an sich war ihr jedoch aus ihrem alten Studium bekannt und sie kannte auch schon diverse Lernstrategien. Auch ein Grundverständnis vom menschlichen Körper war bereits am Anfang des Studiums vorhanden und sie musste manchmal ihre alten Lerninhalte mit den neuen Erkenntnissen verknüpfen. Das ging dann zeitlich gesehen etwas schneller als bei Kommilitonen, die keine Vorkenntnisse hatten. Doch auch für sie waren einige Lerninhalte gänzlich unbekannt. Das erste Semester in Witten befasst sich vor allem mit der Orthopädie und den Knochen des Körpers. Im zweiten Semester ging es dann um die inneren Organe. Lisa hatte vorhin jedoch auf einer Station der Inneren Medizin gearbeitet – sie profitierte also vor allem ab dem zweiten Semester von ihrer Vorausbildung. Am meisten profitiert hat sie jedoch in der klinischen Phase des Studiums. Sie wusste, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen kann und wie sie einen guten Patientenkontakt pflegt.

Lernen

Obwohl sie wusste, welche Lernstrategie am besten zu ihr passt, war Medizin zu studieren noch mal etwas ganz anderes. Es waren viel mehr Lerninhalte in kürzerer Zeit zu absolvieren und auch sie musste das Lernen in vielen Punkten neu angehen. An dieser Stelle sieht sie persönlich keinen Unterschied zu ihren Kommilitonen ohne Vorkenntnisse.

Sie befürwortet eine Mischung des Jahrgangs an der Universität sehr. Es gefiel ihr, dass es Leute mit ganz anderen Ausbildungen (Rettungssanitäter, Physiotherapeuten usw.) und dass es auch Leute ohne Vorkenntnisse gab. Sie hatte nicht das Gefühl, dass jemand weniger wusste als der andere, sondern hatte viel eher das Gefühl, dass alle bei null anfangen mussten. Die Kommilitonen, die keine Vorkenntnisse hatten, hat sie als bereichernd wahrgenommen, da gerade diese Personen einige wichtige Gegenfragen in den POL-Sitzungen stellten. Das brachte sie dann auch dazu, ihre Antworten zu überdenken und weiter in die Tiefe der Inhalte zu gehen.

Fazit

Lisa kann heute sagen, dass ihr Studium und ihre Ausbildung vor dem Medizinstudium eine gute Entscheidung waren. Einerseits wäre sie vielleicht sonst nie bei der Medizin gelandet und tatsächlich war durch die Vorkenntnisse der Einstieg in das Studium – insbesondere in den klinischen Semestern – angenehmer.

Autorin: Saher Dilshad