Die Physiologie-Sprechstunde

Im Beitrag zur Anatomie Sprechstunde habe ich erwähnt, dass die Sprechstunden an meiner privaten Universität den Vorlesungen an einer staatlichen Universität entsprechen. Dabei ändert sich nicht nur der Name, sondern auch das Konzept für die Stunde, denn dieses ist interaktiv gestaltet. Die Studierenden sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Fragen, die sich beim Eigenstudium zum Thema ergeben haben, zu stellen und diese beantwortet zu bekommen. Dieses Konzept setzt unter anderem aber auch eine kleine Teilnehmerzahl voraus, damit nicht zu viel Unruhe in der Stunde entsteht. Im Semester studieren etwa 84 Studierende, die in vier Gruppen von jeweils 20 Teilnehmern geteilt werden. Die Physiologie-Sprechstunden finden vom ersten bis zum vierten Semester wöchentlich statt und dauern etwa 45 Minuten.

Viele Dozenten bringen zur Sprechstunde eine PowerPoint-Präsentation mit. Dies war jedoch im ersten und zweiten Semester in der Physiologie bei uns nicht der Fall. Unser Physiologiedozent hat seine Stunden sehr frei gestaltet und seine Aussagen mit Tafelaufschrieben und einem Tageslichtprojektor gestützt.

Ablauf der Sprechstunde

Die Stunde begann immer mit einer offenen Frage, und zwar welche Fragen beim Selbststudium aufgetreten sind. Während man sich in der Anatomie-Sprechstunde oft mit dem Aufbau des Organs/ des Körpersystems auseinandergesetzt hat, ging es in der Physiologie darum, die Funktion des jeweiligen Organes/ des Körpersystems zu verstehen. Dies kann, wenn man überhaupt keine Vorerfahrungen im medizinischen Bereich hat und auch noch keine richtige Vorstellung dessen recht schwer sein. Mir ist das im Selbststudium sehr schwergefallen, weshalb ich von den Physiologie-Sprechstunden sehr profitiert habe.

Nachdem alle Fragen gesammelt worden sind, begann unser Dozent seinen Vortrag, wobei auch dieser sehr interaktiv war. Mit vielen Zeichnungen von einzelnen Körperzellen und unter Anwendung unseres Vorwissens hat unser Dozent uns durch die Physiologie für die aktuelle Woche geführt. Wenn wir beispielsweise die Lunge als Organ der Woche hatten, haben wir in der Physiologie den Gasaustausch in der Lunge besprochen. Es war sehr bereichernd und spannend, sich die Physiologie anhand der Anatomie und unseres Vorwissens selbst zu erarbeiten. Der Dozent fing seine Zeichnung oft erst mit einer einzelnen Zelle an und alle Systeme, die hier beteiligt sind, wurden durch seine Fragen und unsere Antworten im Laufe der Stunde eingezeichnet, sodass wir am Ende der Stunde ein vollständiges Bild hatten. Ich habe mir in dieser Stunde sehr viel Notizen gemacht und oft am Rande der Zeichnung wichtige Aussagen des Dozenten beziehungsweise worauf er besonderen Wert gelegt hat, aufgeschrieben. In die Sprechstunde konnte man auch mit wenig Vorwissen rein gehen und dennoch holte der Dozent uns alle ab. Nach seinem Vortrag schloss er oft mit der Pathophysiologie ab. Das heißt, nachdem wir beispielsweise nun wussten, wie normalerweise der Gasaustausch in der Lunge funktioniert, ging der Dozent zum Schluss auf den in POL vorgestellten Patientenfall (s. Bericht POL) ein und welches System genau dem Patienten fehlt bzw. gestört ist. Damit konnte ich mir am Ende der Stunde die meisten Symptome des Patienten erklären und half mir den Fall aufzulösen und besser zu verstehen. Während der gesamten Stunde hatten wir immer die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die sich in diesem Moment ergaben. Am Ende der Stunde ging der Dozent noch auf offengebliebene Fragen, die wir zu anfangs genannt hatten und nicht im Laufe der Stunde beantwortet wurden, ein und beantwortete diese.

Nichtsdestotrotz erforderte die Physiologie-Sprechstunde viel mehr Nachbereitung als die anderen Sprechstunden, die ich hatte. Dies hatte oft damit zu tun, dass ich mir vor der Sprechstunde keine Notizen gemacht habe, sondern nur die Seite in meinem Buch durchgelesen habe. Dementsprechend setzte ich mich nach der Stunde an meine Notizen und erstellte mithilfe des Physiologiebuches und meiner Notizen aus der Sprechstunde letzten Endes die Notizen, die ich auch später zum Lernen benutz habe. Noch heute (im 9. Semester) schaue ich in diese Unterlagen und kann sie in der Klinik anwenden, falls ich irgendwelche Grundlagen auffrischen möchte.

Obwohl das Konzept der Sprechstunde viel Eigenarbeit erfordert, habe ich vor allem in der Physiologie davon profitiert, um komplexere Körpersysteme zu verstehen. Da hat dann die Eigenarbeit am Ende viel mehr Spaß gemacht, wenn man wusste, was genau man lernt und wieso dies so relevant für die Klinik und im späteren Berufsleben ist.

Autorin: Saher Dilshad