Nachdem meine Erfahrung im ersten Praktikum der Allgemeinmedizin nicht so verlaufen war, wie ich es mir gewünscht hätte (s. anderen Bericht), nahm ich mir für das nächste Praktikum vor, früh genug bei einem Allgemeinmediziner meinen gewünschten Zeitraum anzufragen und diesen zu reservieren. Davor sammelte ich jedoch erst mal Erfahrungen von anderen Studierenden zu dem von mir ausgewählten Arzt, um nicht wieder eine schlechte Erfahrung zu machen.
Da dieses Praktikum regulär zwischen dem zweiten und dritten Semester in der vorlesungsfreien Zeit selbst planbar ist, gestaltete sich die Planung unkomplizierter als beim ersten. Ich hatte nun auch nach den ersten Klausuren das Gefühl, mehr theoretisches Wissen zu haben und auch durch den OSCE ein paar Sachen praktisch untersuchen zu können, was wiederum mein Selbstbewusstsein stärkte.
Vor dem Praktikum machte ich mir zur Vorbereitung einige Notizen bezüglich meiner Ziele, Wünsche und Anforderungen, die ich dann im ersten Gespräch besprechen wollte.
Ich landete dann schließlich bei einer Ärztin, die circa 20 Minuten Autofahrt von mir entfernt ihre Praxis hatte und auch alternative Heilmethoden praktizierte. Außerdem – wie ich später erfahren durfte – behandelte die Ärztin auch gynäkologische Patienten. Dies war auch somit meine erste Praxiserfahrung in einem spezifischen Fachbereich (bis hierhin hatte ich noch keine klinischen Blöcke absolviert), was meine zwei Wochen sehr bereicherte und mir auch noch einmal aufzeigte, dass man die Allgemeinmedizin auch sehr gut mit anderen Fachbereichen kombinieren und sich dann damit niederlassen kann. Ein weiteres wichtiges Highlight war, dass die Praxis in einem speziellen Praxishaus untergebracht war, welches auch ein Altenpflegeheim beherbergte. In diesem wurden regelmäßig Hausbesuche unternommen, die ich nun auch begleiten konnte.
Tagesablauf
Mein Tag begann meistens um kurz vor 8 Uhr. Ich durfte erst mal ankommen, mich mit der Ärztin unterhalten und dann ging es los mit der Arbeit im Labor. Da es mir wichtig war, nun das Blut abnehmen, besser zu lernen, durfte ich einige Tage im Labor zuschauen und assistieren und irgendwann auch regelmäßig selbst Blut abnehmen. Natürlich meistens unter Supervision einer Ärztin oder medizinischen Fachangestellten, da ich mich noch nicht so sicher fühlte. Danach durfte ich einfach in das Sprechzimmer der Ärztin dazukommen. Wenn die Ärztin noch keinen Patienten aufgerufen hatte, besprach sie mit mir vor allem in der ersten Woche immer vor, was bei diesem Patienten besonders ist, was es für mich zu beachten gab und was ich genau beobachten sollte. Im Anschluss konnte ich Nachfragen stellen, bevor wir den jeweiligen Patienten aufriefen.
Dabei lernte ich nun auch zum ersten Mal das strukturierte Vorgehen eines Arztes kennen. Zuerst wurde, obwohl die Ärztin in den meisten Fällen die Krankengeschichte des Patienten kannte, eine Anamnese geführt. Hier wurde primär auf die aktuellen Beschwerden eingegangen und im Anschluss folgte die klinische Untersuchung. Als nächstes wurde dann das weitere Vorgehen bezüglich der Therapie mit dem Patienten gemeinsam besprochen. Nachdem ich diese Gespräche am Anfang sehr genau mitverfolgte, jedoch eher eine stille Beobachterin war, durfte ich jedoch sehr bald selbstständig erstmals die Anamnese und die klinische Untersuchung bei den Patienten durchführen und im Anschluss der Ärztin draußen vorstellen. Ich war sehr aufgeregt, als mir so viel Verantwortung übertragen wurde, gleichzeitig freute ich mich, endlich mein theoretisches Wissen stärker mit der Praxis verknüpfen zu können. Die Ärztin fragte mich dann auch oft, was ich differenzialdiagnostisch vermutete, was der Patient haben könnte. Das führte noch einmal zu einem enormen Lerneffekt und das Nachdenken darüber machte mir sehr viel Spaß.
Danach gingen wir gemeinsam in das Zimmer und die Ärztin machte eine kurze Anamnese, untersuchte das wichtigste nach und stellte dann die Diagnose (sofern keine apparative Diagnostik von Nöten war).
Die gynäkologischen Untersuchungen waren auch sehr interessant mit anzuschauen. Vor allem gefiel es mir, den Ablauf vom Aufklärungsgespräch bis hin zum tatsächlichen Einsetzen einer Spirale mitzuerleben. Damit kommt man ansonsten in der Klinik kaum in Kontakt, weshalb mir dies auch nach so vielen Semestern noch immer so gut in Erinnerung verblieben ist. Hierbei erlebte ich auch meine ersten Aufklärungsgespräche und ich merkte dabei, wie wichtig es ist, eine gute Arzt-Patienten-Beziehung aufzubauen, um damit bei vielen Nebenwirkungen oder Komplikationen die Angst nehmen zu können bzw. darauf eingehen zu können.
In meiner Zeit in der Praxis befand sich auch eine weitere Ärztin in der Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin, die primär die Hausbesuche machte. In der zweiten Woche fragte sie mich, ob ich nicht auch Lust hätte, sie zum Altenheim zu begleiten und zu sehen, wie man diese Patienten versorgt. Da ich bis dahin auch noch keine Hausbesuche erlebt hatte und dies auch ein sehr spezifischer Aufgabenbereich der Allgemeinmediziner ist, stimmte ich dem freudig zu, um aus diesem Praktikum so viel wie möglich mitzunehmen.
Die Hausbesuche fanden oft zur Mittagszeit statt. Sie waren manchmal etwas unstrukturiert, nichtsdestotrotz gab sich die Ärztin enorm viel Mühe und ließ mich auch hier viel selbstständig machen. Oft ging es aber auch nur um das Umstellen der Medikation, bei denen ich dann leider nicht folgen konnte, da ich in der Medikamentenlehre noch nicht so weit war. Doch auch hier sah ich einige sehr interessante Krankheitsbilder wie beispielsweise eine enorme COPD und ihre Auswirkungen.
Mein Tag endete für gewöhnlich um 15/16 Uhr nach der Sprechstunde oder wenn es etwas ruhiger wurde und es für mich nicht mehr viel Interessantes zu sehen gab.
Fazit
Dieses Praktikum hat meine Meinung zur Allgemeinmedizin grundlegend revidieren können. Ich konnte jederzeit die Ärzte ansprechen und Rückfragen stellen. Die Feedback- Gespräche und das strukturierte Vorstellen eines Patienten (nachdem ich diesen Fall selbst erarbeitet hatte), welches vorgesehen war, wurden mit mir sehr zuverlässig geführt und das komplette Team war bemüht mich, einzubinden und mir etwas beizubringen. Was auch positiv hervorzuheben ist, ist dass man mir immer auf Augenhöhe begegnete und mich nicht unter- oder überforderte.
Die Vorteile der Allgemeinmedizin kamen in dieser Praxis sehr gut zur Geltung und machten auch für mich die Allgemeinmedizin attraktiver, sodass ich am Ende mit einem sehr angenehmen Gefühl aus der Praxis ging und beschloss auch die weiteren Praktika in dieser Praxis bei einer so guten Anleitung zu machen.
Ich kann also wieder nur empfehlen, dass Erfahrungen von anderen Kommilitonen enorm wichtig sind, um eine gute Praxis zu finden und auch das Formulieren der Ziele, die man für das Praktikum hat, gleich zu Anfang mitzunehmen. Dadurch machst Du es auch dem Arzt etwas einfacher und er weiß, wo er Dich abholen kann. Mir hat es in jedem Fall enorm geholfen und das ist der beste Ratschlag, den ich Dir vor allem am Anfang Deiner ersten Praktika mitgeben kann. Ansonsten kann es leicht passieren, dass Du bei so vielen neuen Eindrücken das Wichtigste vergisst und am Ende doch nicht das gelernt hast bzw. gesehen hast, was Du eigentlich wolltest. Nimm Dir auch die Zeit und reflektiere in regelmäßigen Zeitabständen, was Du schon geschafft hast und welche Deiner Ziele Du noch nicht erreicht hast. Dann wird das Praktikum für Dich ein Erfolg und Du hast auch noch der Praxis mit Deiner Arbeit geholfen.
Autorin: Saher Dilshad