Mein erstes Praktikum in der Allgemeinmedizin

Mein erstes Praktikum in der Allgemeinmedizin war nach dem Pflegepraktikum das erste Praktikum im medizinischen Bereich und das erste Praktikum als Medizinstudentin. Dementsprechend war ich sehr aufgeregt und freute mich, den ersten theoretischen Teil der Vorklinik in der Praxis zu sehen.

Das erste Praktikum an unserer Uni ist im Studienverlauf sehr früh eingeplant, nämlich im ersten Semester. Kurz davor hatten wir eine allgemeine Einführung in das Blut abnehmen bekommen. Dabei haben wir im Semester die Möglichkeit gehabt, uns gegenseitig Blut abzunehmen und die richtige Technik zu erlernen.

Ich hatte mir vor dem ersten Praktikumstag Gedanken gemacht, was ich erwarte und was ich primär üben möchte. Mir war es wichtig, das Blut abnehmen, besser zu lernen und einige Anamnesegespräche zu führen, damit ich die ärztliche Tätigkeit in der Praxis besser verstehen kann.

Da wir für das Praktikum in der Allgemeinmedizin in eine von der Universität verifizierte Lehrpraxis gehen mussten und der Zeitraum für mein gesamtes Semester der gleiche war, hatte ich leider keine große Auswahl bezüglich meiner Wunschpraxis. Ich landete in einer Hausarztpraxis, die etwas entfernt von meinem Wohnort lag (circa 1 Stunde Fahrzeit). Nicht desto trotz freute ich mich auf die zwei Wochen und startete voller Elan in diese Zeit.

Ich begann am Montag um 8 Uhr in der Praxis, wobei der Arzt noch nicht da war. Zuvor hatte ich in der Praxis angerufen und von den Arzthelferinnen Auskunft bezüglich der Kleiderordnung bekommen. Diese Arzthelferinnen begrüßten mich dann auch am ersten Tag in der modernen Praxis und zeigten mir erst mal den Aufenthaltsraum, in dem ich meine Sachen ablegen konnte. Ich merkte sehr schnell, dass die Praxis noch keine Studenten aus der Universität gehabt hatte, weil alle nicht so genau wussten, welche Aufgaben ich mit übernehmen könnte. Da ich noch nicht viel Praxiserfahrung gesammelt hatte, wusste ich auch nicht, was ich einfordern und wie ich meinen Tag so gestalten könnte, dass ich davon profitiere. Ich verbrachte somit die erste Zeit mit warten, bis der Hausarzt um circa 9 Uhr die Praxis betrat. Ich stellte mich bei ihm vor und er erzählte mir etwas über seine ärztliche Tätigkeit. Einen Satz, der mich hierbei sehr prägte, da ich diese Ansicht absolut nicht vertrete, war: „Sie müssen, wenn Sie sich mit ihren Kommilitoninnen austauschen, sehr viele Fachbegriffe benutzen. Außenstehende sollten nämlich wahrnehmen, dass sie Ärzte werden.“ Zunächst war ich sehr erschrocken von dieser Aussage. Ich hatte nämlich im ersten Semester sehr mit den Fachbegriffen zu kämpfen und ärgerte mich oft, wenn andere Kommilitonen diese wie selbstverständlich benutzten, während ich solche Schwierigkeiten hatte, mir diese zu merken. Ich hatte mir deshalb vorgenommen, dass ich absolut kein Arzt werden möchte, der nur mit Fachbegriffen um sich schmeißt, sodass ihn seine Patienten nicht oder nur schwer verstehen. Die Aussage von ihm war im ersten Moment zwar ein Schock, doch ich entschied, dass ich diese nicht beherzigen werde. Sie half mir also eher, seine Persönlichkeit einzuordnen und hatte nicht den von ihm gewünschten Effekt.

Danach begann der Praxisalltag, wobei ich immer als Beobachterin mit in das Behandlungszimmer durfte, jedoch nicht selbst untersuchte bzw. den Patienten anamnestizierte. Der Arzt sprach neben deutsch auch türkisch, was sich für mich zunehmend als ein Problem herausstellte. Er hatte nämlich fast nur türkisch sprechende Patienten, mit denen er sich dann auch auf Türkisch unterhielt. Dies wäre an sich kein großes Problem, da ich selbst bilingual aufgewachsen bin und früher meine Mutter zu Arzttermin begleitet habe, um ihr die Gespräche übersetzen zu können. Leider beachtete mich der Hausarzt jedoch gar nicht und übersetze die Gespräche auch nicht für mich. Ich traute mich auch nicht, die vertraulichen Gespräche zu unterbrechen und ihn darauf hinzuweisen, dass ich ihn nicht verstehen kann. Der Lerneffekt als Beobachterin blieb somit aus und ich fühlte mich im Stich gelassen.

Ich nahm mir dann jedoch in den nächsten Tagen vor, aktiver vorzugehen und nachzufragen, damit ich mitbekomme, mit welchen Beschwerden die Patienten kommen und wie ihnen geholfen werden kann. Dafür hatte ich mir auch noch mal unser Skript für das Praktikum durchgelesen, damit ich eine Orientierung bekomme, was ich alles in dieser Zeit lernen sollte. Doch leider funktionierte auch dieses Konzept nicht gut, da der Arzt oft einfach abwinkte und meinte, dass das nichts Wichtiges wäre. Ich stand also im Behandlungszimmer einfach oft im Hintergrund und die Patienten gingen ein und aus, ohne dass ich wusste, was nun genau gemacht wurde.

Als nächste versuchte ich mein zweites Ziel – nämlich das Blutabnehmen – anzusprechen. Der Arzt fragte mich, wie oft ich den schon Blut abgenommen hatte. Ich erklärte ihm, dass dies meine erste Praktikumsstelle ist und ich das Blut abnehmen bei meinen Kommilitonen gelernt habe und somit noch nicht so viel Erfahrung darin habe. Das war jedoch auch nicht die richtige Antwort, da er mich zu seiner Arzthelferin schickte und meinte, ich solle zuschauen, aber auf keinen Fall selbst stechen, da er mir das nicht zutraut. Obwohl ich ihn dann auf mein Aufgabenkatalog hinwies und ihm zeigte, dass dies eines der Aufgaben ist, die ich in diesem Praktikum lernen soll, änderte dies nichts an seiner Meinung.

Leider konnten meine Erwartungen in diesem Praktikum überhaupt nicht erfüllt werden. Die Zeit verging nur sehr mühselig und ich hatte keinen Spaß an dieser Arbeit. Ich war sehr schockiert und hatte tatsächlich nach dem Praktikum Zweifel, ob der Arztberuf etwas für mich ist, da ich die Arroganz, die der Hausarzt auch von mir eingefordert hatte, nicht an den Tag legen kann.

Nach einem intensiven Austausch mit meinen Kommilitonen beschloss ich meine Erfahrung an die Universität weiterzugeben, da ich denke, dass kein Studierender im ersten Semester zu einem Lehrarzt gehen sollte, der seinen Lehrauftrag nicht ernst nimmt und einem nichts beibringen will. Damit hatte ich das Gefühl, zumindest andere vor dieser negativen Erfahrung bewahren zu können, denn der Arztberuf ist vielmehr, als ich in diesem Praktikum erfahren durfte. Durch den Austausch mit meinen Kommilitonen und den nächsten Praktika konnte ich dann zum Glück diese Erfahrung richtig einordnen und meine ersten Zweifel an meinem zukünftigen Beruf ablegen.

Fazit

Ich kann Dir nur empfehlen, Deine Praxiseinsätze sorgfältig zu planen und Dir jemanden zu suchen, der Spaß an der Lehre hat. Frage dafür am besten in den oberen Semestern nach, denn dadurch bekommst Du ein Feedback aus erster Hand, auf das Du Dich in der Regel auch verlassen kannst. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, nach solchen Erfahrungen den Austausch mit anderen zu suchen, um sie richtig einordnen zu können und dann auch schnell abzuhaken.

Und zu guter Letzt: Melde eine solch negative Erfahrung der Universität und bewahre andere vor einem Fehltritt! Dein Feedback hat hierbei enorm viel Wert, gerade bei neuen Lehrpraxen, die erst erprobt werden.