Lernen in der Vorklinik -Wie bereite ich mich vor?

Das Lernen für die Prüfungen an der Universität gestaltet sich völlig anders als in der Schule. So ist es kein Wunder, dass das erste Staatsexamen (Physikum) die höchste Durchfallquote im Vergleich zu den anderen Staatsexamina der Humanmedizin aufweist. Sie liegt bei ungefähr 10 %. Im Vergleich: Das zweite und dritte Staatsexamen schaffen rund 97 % der Studierenden. Doch gleichzeitig kann ich Dich beruhigen, die Durchfallquote ist trotz allem im Vergleich zu anderen Studiengängen sehr gering.

Damit Du jedoch auch das erste Staatsexamen im ersten Anlauf schaffst, musst Du Dich optimal darauf vorbereiten und für Dich selbst die richtige Lernstrategie entwickeln. Doch welche Strategien kann man denn überhaupt nutzen und welche ist die Beste für einen selbst? Im folgenden Bericht möchte ich Dir dazu ein paar Tipps geben.

Da ich im Modellstudiengang Humanmedizin studiere, sieht das erste Staatsexamen an unserer Universität etwas anderes aus als das klassische Physikum. Bei uns gibt es die Staatsexamen-ersetzenden Prüfungen: Der MEQ (Modified Essay Question) und der OSCE (Objective Structured Clinical Examination).

Dabei macht der MEQ den schriftlichen Teil der Prüfungen aus und der OSCE umfasst den praktisch-mündlichen Teil (Näheres siehe dazu den Artikel POL). Insgesamt gibt es drei MEQs und zwei OSCEs, die man bestehen muss, um das Physikumszeugnis ausgestellt zu bekommen. Die Note des Physikumszeugnis setzt sich aus diesen fünf Prüfungen zusammen. Wobei jede Prüfung 1/5 der Note ausmacht.

Die Vorbereitung auf den MEQ (schriftlicher Teil)

Der MEQ besteht aus Patientenfallgeschichten, zu denen im freien Format Fragen gestellt werden. Dabei umfasst jede Fallgeschichte sechs bis zehn Seiten, bevor die nächste anfängt. Die Fragen kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen. In der Regel besteht der komplette MEQ zu etwa 30 % aus Anatomie, 30 % Physiologie, 20 % Biochemie und 20 % sonstigen vorklinischen Fächern. Dabei sind jedoch einige klinische Fragen inbegriffen wie beispielsweise das Abfragen von unterschiedlichen Differenzialdiagnosen. Insgesamt werden in diesem Format fünf bis sechs Fallgeschichten abgearbeitet und zum Schluss gibt es noch einige freie Fragen. Für diese Prüfung hat man insgesamt sechs Stunden Zeit.

Der MEQ orientiert sich deshalb an Fallgeschichten, da das Lehrformat an der Uni das Problemorientierte Lernen ist. Da im Semester die Methode des Problemorientierten Lernen in Kleingruppen (circa 6 Studierende) angewandt wird, bietet es sich an, sich zur Vorbereitung auf die Prüfung in Lerngruppen zusammenzuschließen.

In einer Lerngruppe sollten in der Regel nicht mehr als 4 Studierende sein, da es sonst recht schnell unübersichtlich wird. Die beste Lerngruppe für einen selbst zu finden ist gar nicht so einfach.

Es ist wichtig, dass Du die richtigen Lernpartner findest, die ein ähnliches Lerntempo haben, wie Du selbst und ein ähnliches Ziel bei der Prüfung anstreben. Es ist sehr kontraproduktiv, wenn Du selbst eine 1 anstrebst und Deine Lernpartner nur bestehen wollen. Das kann dazu führen, dass Du auch auf viele kleine Fächer wert legst, während Deine Lernpartner diese außer Acht lassen. Die Lernpartner sollten einem jedoch auch nicht allzu ähnlich sein. Denn wenn ihr an das gemeinsame Wiederholen der Lerninhalte geht, kann es ansonsten passieren, dass ihr euch nur auf die Lerninhalte konzentriert, die euch Spaß bereiten und andere wichtige Themen nicht bearbeitet.

Es bietet sich also an, „kleine Experten“ für die großen Fächer (Anatomie, Physiologie und Biochemie) zu haben, damit Du gefördert und gefordert wirst. Es kann auch passieren, dass Du in einem Semester Lerngruppenmitglieder hast, die super zu Dir passen und mit denen Du gut lernen kannst, doch im nächsten Semester passt es dann nicht mehr. Hier ein kleiner Tipp: Stellt von vorneherein klar, dass es in Ordnung ist, sich bei einem solchen Fall eine neue Gruppe zu suchen. Denn das ist ganz normal und kann passieren. Viel frustrierender ist es, aus Rücksicht auf die anderen in der Gruppe festzuhängen, aber nicht mehr davon zu profitieren. Hör auf Dein Bauchgefühl! Die Zeit zum Lernen ist begrenzt und sollte gut genutzt werden.

In der Lerngruppe können viele wichtige Themen abgearbeitet, unklare Fragen geklärt und Lernunterlagen ausgetauscht werden, darüber hinaus sieht man auch auf welche Themen die anderen Gruppenmitglieder Wert legen. Das hilft Dir einerseits zu filtern und beruhigt Dich auch gleichzeitig beim Eigenstudium. Wir haben auch oft die Zeit dafür genutzt, Altklausuren durchzugehen und zu schauen, ob wir sie alle beantworten können. Das hilft Dir eine Orientierung in diesem riesigen Gebiet voller Inhalte zu finden. Wichtig ist, dass es unmöglich ist, ALLES zu können. Viele Inhalte musst Du auf „Lücke lernen“, ansonsten wirst Du frustriert in die Prüfung reingehen und hängst Dich auch viel zu oft an kleinere Themen auf.

Nichtsdestotrotz besteht das Medizinstudium aus viel Eigenarbeit. Bevor Du in die Lerngruppen zusammengehst, musst Du Dich selbst auf alle Themen vorbereiten. Doch wie kannst Du das machen und wie kannst Du vor allem so viel Wissen in so kurzer Zeit lernen und längerfristig behalten?

Eine gute Lernmethode, die sich hier für mich bewährt hat, ist das Lernen mit Online-Karteikarten. Ich kann dabei das Anki-System sehr empfehlen. Hierbei loggst Du Dich auf der Webseite ein und kannst das Programm auf Deinen Laptop herunterladen. Dann kannst Du während der Vorlesungen und im Semester damit beginnen, Dir individuelle Karteikarten mit den Fragen auf der Vorderseite und die jeweilige Antwort auf die Rückseite zu erstellen. Nach dem Erstellen werden die Fragen nun abgefragt. Dabei hast Du nun bei der Beantwortung der Frage vier Möglichkeiten:

1. Noch mal beantworten:

Die Frage war sehr schwierig und Du konntest sie nicht beantworten. Sie soll heute noch mal abgefragt werden.

2. Schwierig:

Du konntest die Frage beantworten, musstest jedoch länger darüber nachdenken. Sie soll zeitnah abgefragt werden.

3. Gut:

Du konntest die Frage zufriedenstellend beantworten, sie kann im regulären Zyklus abgefragt werden.

4. Einfach:

Die Frage war sehr einfach, sie kann viel später noch mal wiederholt werden.

Wenn die Fragen neu sind, sind die jeweiligen Möglichkeiten zeitlich recht eng beieinander. Desto öfter Du sie wiederholst, desto größer werden jedoch auch die Zeitabstände. Dabei musst Du selbst gar nicht daran denken, die Zeitabstände anzupassen. Anki passt Dir diese auf Dein individuelles Lerntempo an. Dadurch kannst Du Themen, die Du nicht so gut kannst, ständig wiederholen, bis sie gut sitzen und so viel Wissen ins Langzeitgedächtnis überführen.

Sobald Du Dir ein Anki Konto angelegt hast, kannst Du dieses auch mit dem Smartphone synchronisieren. So musst Du Dich zum Lernen nicht extra hinsetzen, sondern kannst auch unterwegs lernen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Du viel weniger Bücher mitnehmen musst, da Du alle wichtigen Lerninhalte digital gespeichert hast.

Das System hat mir sehr geholfen, um viele wichtige Themen zu lernen und gut durch die Vorklinik zu kommen. Für die anatomischen Strukturen bietet es sich auch an, Bilder hochzuladen und die jeweiligen Strukturen mit einem Kästchen abzudecken. Anki fragt dann auch diese Karten ab. Es gibt zahlreiche weitere Möglichkeiten, die Karten zu erstellen (Lückentexte, Bilder …).

Nichtsdestotrotz ist es immens wichtig, während dem Semester gute Lernunterlagen zu haben, auf die Du immer wieder zurückgreifen kannst. Einige benutzen Anki auch als Programm für ihre Lernunterlagen. Da ich jedoch dadurch den großen Überblick verliere, habe ich mir im Semester separate Unterlagen auf Papier erstellt. Diese nutze ich noch heute in der Klinik, um wichtige Inhalte noch mal nachzuschauen. Zusammengestellt habe ich diese aus meinen Büchern und aus den Sprechstunden (Vorlesungen). Ich habe sie dabei nach Fächern und Patientenfällen sortiert, weil dies für mich die einfachste Möglichkeit ist, die Lerninhalte zu behalten und nachzuvollziehen, wieso diese wichtig ist. Für einen groben Überblick habe ich mir mithilfe meiner Lerngruppe Kausalketten in DIN A3 zum jeweiligen Fall erstellt und die wichtigsten Inhalte in diesen mit eingebaut. Auch diese helfen mir noch heute weiter und sind sehr klinisch an den Symptomen des Patienten orientiert. Das ermöglicht mir die Vorklinik sinnvoll mit der Klinik zu verknüpfen.

Die Vorbereitung auf den OSCE (praktisch-mündlicher Teil)

Während des Semesters wird zur Vorbereitung auf den OSCE ein verpflichtender Untersuchungskurs (U-Kurs) angeboten. Dieser findet regelmäßig einmal pro Woche statt. Im U-Kurs wird jede Woche „das Organ/Gelenk der Woche“ untersucht. Auch diese Sitzungen laufen in Kleingruppen (in der Regel 5-6 Studierende) ab. Dabei hat man einen Co-Tutor aus dem höheren Semester, welcher einem zur Seite steht und die richtigen Abläufe erklärt und vormacht. Von der Universität wird ein Untersuchungsskript zur Verfügung gestellt, an dem Du Dich orientieren kannst.

Auch für die OSCE- Stationen gibt es unterschiedliche Fallbeispiele, die sich jedoch dann auf den zu untersuchenden Körperbereich spezialisieren (zum genaueren Ablauf siehe im Artikel „POL“ nach).

Zur Vorbereitung auf den OSCE bietet es sich wieder an, in Kleingruppen zu lernen. Gerade bei den Untersuchungsabläufen hilft es, nicht nur die Theorie zu können, sondern Du musst diese einfach oft genug üben, um sie zu perfektionieren. Wenn Du Dich mit anderen Studenten zusammenschließt, habt ihr die Möglichkeit, gegenseitig an euch zu üben, zudem können an der Universität Modelle ausgeliehen werden, um noch mal genauere Abläufe nachzuvollziehen. Für die Prüfung muss der jeweilige Untersuchungsablauf auswendig gelernt und an einem Simulationspatienten vorgemacht werden. Es ist hierbei wichtig zu wissen, wie der Normalbefund aussieht und diesen auch zu erwähnen beziehungsweise welcher Befund auffällig wäre und einem Sorgen bereiten würde.

Wenn Du in der Lerngruppe die Abläufe übst und dem jeweils anderen Feedback gibst, bist Du in der Regel gut auf diese Prüfung vorbereitet. Es hilft hierbei, Stationen zu simulieren, damit Du Dich in der realen Prüfungssituation besser zurechtfindest.

Ich würde hier eine Lerngruppe von maximal drei Studenten empfehlen, damit jeder jede Station zumindest ein paar Mal wiederholt. Bei einer zu großen Gruppe fühlst Du Dich evtl. schnell gelangweilt und wirst unaufmerksam. Außerdem kommt dann jede Person nicht oft genug dran und Du bist nicht so gut auf die Prüfung vorbereitet.

Zu dritt kann einer den Simulationspatienten spielen, einer den Untersucher und der Dritte ist derjenige, der die Prüfung bewertet beziehungsweise mitschriebt, was gefehlt hat.

Dadurch, dass der OSCE und der MEQ im Semester zeitnah beieinanderliegen, läuft die Vorbereitung oft parallel ab, was einige Vorteile hat. Viel theoretisches Wissen ist schon da und Du hast wenig Probleme in der Prüfung bei unangenehmen Rückfragen antworten zu können.

Die Vorbereitung auf den OSCE nimmt meistens auch nicht so viel Zeit in Anspruch wie die Vorbereitung auf den MEQ. Du kannst Dir dafür 1-2 Wochen vor der Prüfung intensiv Zeit nehmen und bist dann optimal vorbereitet.

Autorin: Saher Dilshad