In den letzten beiden Berichten habe ich Dir von meinen vorklinischen Praktika in der Allgemeinmedizin erzählt. In diesem Bericht werde ich nun auf mein drittes Praktikum im Allgemeinen und das erste in der klinischen Phase näher eingehen. Eigentlich wollte ich dieses Praktikum auch in derselben Praxis absolvieren wie das zweite, jedoch war mein Wunschzeitraum nicht mehr frei, weshalb ich mich schweren Herzens für eine andere Praxis entschied. Auf der Suche nach der richtigen Praxis unterhielt ich mich mit einer Kommilitonin, die mir ihre Hausärztin empfahl. Da würde es wohl etwas hektisch zugehen, doch ich könne da viel mitnehmen. Nachdem ich mich im Internet ein wenig schlaugemacht hatte, stellte ich fest, dass diese Praxis um einiges größer war. Hier waren 2 Fachärztinnen der Allgemeinmedizin und zwei weitere in Weiterbildung tätig. Dabei hatten zwei von diesen vier Ärztinnen auch einen Facharzt in der Chirurgie und Urologie. Das hieß also für mich, dass ich damit nicht nur Einblicke in die Allgemeinmedizin bekommen würde, sondern auch in andere Fachbereiche, was mich sehr freute.
Der erste Tag in der neuen Praxis
Mein Tag startete um 8 Uhr. Ich durfte erst mal meine persönlichen Sachen im Personalraum verstauen und ging dann nach vorne zum Empfangstresen. Dort stellte ich mich bei den Arzthelferinnen, die ich noch nicht kannte, vor und fragte, wo ich denn gut dazu gehen kann. Oft sind die Ärzte nämlich so mit ihren Aufgaben beschäftigt und vergessen, dass wir bei ihnen mitlaufen sollten. Die Arzthelfer haben meistens einen guten Überblick über das Praxisgeschehen und können einem meistens weiterhelfen. Am Anfang lief ich bei der Ärztin mit, die sich im Moment in der Weiterbildung befand. Diese hatte auch vor kurzem begonnen und arbeitete sich gerade in den Praxisalltag ein. Wir schauten uns gemeinsam einige Patienten an und sie stellte mir zu diesen Fragen. Bei der Untersuchung war ich oft mit dabei und sollte erst mal voruntersuchen. Dabei schaute mir die Ärztin zu, um meine Fertigkeiten einschätzen zu können. Manchmal mussten wir den Patienten auch sonografieren, weshalb wir ihn in den Sono-Raum begleiteten. Den Umgang mit dem Ultraschall hatte ich bis dahin noch nicht viel geübt, weshalb dies für mich vor allem eine Herausforderung war. Ich war froh, da oft zuschauen zu können und die Ärztin erklärte mir unheimlich viel, damit auch ich die Strukturen erkennen konnte. In dieser Woche bat mich auch eine Arzthelferin ein EKG zu schreiben. Da ich mich mit dem Gerät nicht auskannte, nahm sie mich mit und zeigte mir, wie und wo ich die Elektroden an dem Patienten anbringen muss und wie ich dann ein EKG schreiben kann. Danach gab sie mir noch ein Zettel, wo die Elektroden schematisch auf dem Thorax eines Menschen dargestellt wurden. Das war ein absolutes Highlight, denn ich hatte das Gefühl, dass die Hierarchie in der Praxis sehr flach war und damit ein gutes Arbeitsklima herrschte. Das nahm mir auch die Angst, Fragen zu stellen und erleichterte mir den Einstieg in die Praxis.
Hausarztbesuche – Die Anamnese startet schon vor der Haustür
In dieser Praxis lernte ich dann zum ersten Mal die klassischen Hausbesuche, die ein Allgemeinmediziner macht, kennen. Ich fuhr in der Mittagspause mit der Ärztin zu den Patienten und besuchte diese. Die Ärztin hatte sich vorher einen Koffer mit allen wichtigen Utensilien gepackt, die sie dann vor Ort rausholte. Wir nahmen teilweise Blut ab und verpackten dieses oder schrieben neue Rezepte (in diesem Fall dann handschriftlich) und unterhielten uns mit den Angehörigen. Die Ärztin wies mich darauf hin, dass sie schon bevor sie die Wohnung betritt, einiges „abscannt“. Zum Beispiel, wer ihr die Tür geöffnet hat, der Patient selbst oder ein Angehöriger. Ob der Patient ebenerdig lebt oder wir 2 Stockwerke steigen mussten und wie die Wohnung aussieht, aufgeräumt oder eher verwahrlost. Das sind schon erste Hinweise für den Zustand des Patienten und können uns schon vor der Anamnese weiterhelfen. Die Hausbesuche dauerten circa 2 Stunden und dann ging es zurück in die Praxis. Wenn nachmittags dann nicht mehr viel zu tun war, besprach ich noch einen Fall mit der Ärztin nach und konnte mich dann verabschieden. Nach der ersten Woche hatte ich das erste Feedback- Gespräch, indem ich dann jedoch auch feedbacken musste, dass ich manchmal nicht genau weiß, wo ich so leicht dazu gehen kann und wie viel ich tatsächlich schon selbst machen darf. Da wünschte ich mir etwas mehr Anleitung. Dies wurde in der zweiten Woche berücksichtigt und ich hatte nichts mehr zu beanstanden.
Notfall in der Hausarztpraxis – nur die Ruhe
In der zweiten Woche half ich ein wenig bei den Blutabnahmen, da das Personal etwas ausgedünnter war und dies auch zu meinen Tätigkeiten gehörte. Dann bekam ich meinen ersten ärztlichen Notfall in der Praxis mit. Ein sehr junger Patient, der aufgrund von Erkältungssymptomatik während der Coronahochphase vor der Tür warten musste, war plötzlich bewusstlos geworden und enorm blass. Die anderen Patienten alarmierten das Personal und der Patient wurde in die Praxis begleitet und auf eine Liege gelegt. Die Ärztin hörte ihn ab und machte mit ihm eine kurze Anamnese, bevor sie den Rettungsdienst alarmierte. Der Verdacht der Ärztin bestätigte sich letzten Endes – er hatte eine Herzmuskelentzündung und war somit im Krankenhaus gut aufgehoben. Diesen Ablauf mit zubekommen war für mich neu und ich merkte, dass trotz so viel Hektik drum herum die Hausärztin vollkommen ruhig blieb und ihr Schema durchging. Dadurch wirkte auch der Patient sehr beruhigt und ich konnte durch diese Erfahrung sehr viel für mich lernen, nämlich dass das Ruhebewahren in solch einer Situation essenziell ist. Da wir inmitten der Coronahochphase steckten, spielten auch Impfungen eine große Rolle. An einem Tag nahm mich die Lehrärztin mit zu einem nahe gelegenen Pflegeheim und wir impften dort die untergebrachten Patienten. Da dies meine ersten Impfungen waren, leitete sie mich erst mal an und ich durfte danach einige Patienten vollkommen selbstständig impfen.
Abschlusstest – Fallvorstellung eines echten Patienten
Nach Abschluss der zwei Wochen stellte ich meiner Lehrärztin einen Patienten vor, den ich bei einem Hausbesuch getroffen hatte. Dabei handelte es sich um einen klassischen hausärztlichen Fall. Der Patient war schon älter, hatte einen bekannten Diabetes mellitus II, der im Moment nicht gut eingestellt war und bekam nun einige Nebenwirkungen der Erkrankung zu spüren („Taube Füße“). Die Lehrärztin hörte meiner Fallvorstellung und meinen Therapievorschlägen aufmerksam zu und stellte noch einige Rückfragen.
Fazit: Warum es manchmal gut ist, nicht den gewohnten Weg zu gehen
Am Ende war ich doch froh, das Praktikum in einer anderen Praxis gemacht zu haben, als ich zunächst geplant hatte. Das hatte mir noch mal andere Praxisstrukturen aufgezeigt und ich hatte noch mal sehr viel Neues gelernt. Ich kann Dir also empfehlen, wenn Du einige Praktika in demselben Fachbereich absolvieren musst, diese auf unterschiedliche Kliniken/Praxen aufzuteilen. Dadurch lernst Du viel mehr, als wenn Du immer wieder zur gleichen Praxis zurückkommst. Natürlich hat das seine eigenen Vorteile. Du kennst schon den Lehrarzt und das Personal. Teilweise sind Dir auch die Patienten bekannt und die Praxis ist auch nichts Neues für Dich – Du musst Dich also nicht neu einfinden. Doch für mich überwiegen trotzdem eindeutig die Vorteile für einen Praxiswechsel, weshalb ich Dir diesen nahelegen würde.
Autorin: Saher Dilshad