Vorbereitung auf ein Auslandssemester

Wer kennt es nicht. Das Physikum ist durch, und die große Freiheit winkt. Was soll es denn sein? Richtig, ab ins Ausland! Ging mir zumindest so.

Hi, ich bin Robert, studiere seit mittlerweile 10 Semestern Humanmedizin im wunderschönen Göttingen und habe eines davon im hohen Norden in Helsinki zugebracht.

Wer im Ausland Medizin studieren will, wird sich zunächst einige Fragen stellen. Die da sein könnten: Wann will ich ins Ausland gehen? Wie lange will ich im Ausland sein? Wie organisiere ich den Austausch? Wie finanziere ich den Austausch? Was ist mein Anspruch an Lehre und Informationsgewinn? Möchte ich mir Fächer anerkennen lassen oder vielleicht einfach nur eine andere Kultur kennenlernen und Uni mal Uni sein lassen? Verwirrend komplex das Ganze. Um etwas Licht in die Angelegenheit zu bringen, lass mich Dich mitnehmen auf den Weg, den ich damals beschritten habe.

Im Studium ins Ausland zu gehen war mein Plan, seit ich mich in der 9. Klasse gegen ein Auslandsjahr entschieden hatte. Deshalb habe ich auch bereits vor Studienbeginn nach Austauschmöglichkeiten gesucht. Quintessenz: Erst nach dem Physikum!

Warum wurde mit dann abroad klar. In den allermeisten Programmen wird klinisch unterrichtet. Was will ich in der Endokrinologie, wenn ich Physiologie und BC noch nicht hatte? Nach dem Physikum ging es also ans Organisieren und Bewerben. Dazu ein paar Gedanken: Wenn Du versuchen willst, Dir Fächer anerkennen zu lassen, ist Erasmus Deine Anlaufstelle. Dort schließen Medizinische Fakultäten bilaterale Verträge auf Grundlage des EU-Pakts, die es dann ermöglichen, beim LPA Deine Studienleistung anerkennen zu lassen. Ohne diese Verträge ist das de fakto ausgeschlossen. Daraus ergibt sich: Jede Medizinische Fakultät hat seine eigenen Tauschmöglichkeiten.

Interessiert es Dich nicht, ob Du Dir Deine Fächer gutschreiben lassen kannst, steht Dir die Tür weiter offen. Wichtig: Halte auch hier die Augen nach von der Universität organisierten Austauschmöglichkeiten offen. Von Hongkong bis Kalifornien, alles kann möglich sein. Allerdings decken diese Austauschprogramme das Fach Medizin meistens nicht in der Form ab. Du studierst dann etwas anderes – das kann allerdings auch erfrischend sein. Ist bei dergleichen Programmen nichts für Dich dabei, kannst Du auch außerhalb der Universität suchen, dann entfernst Du Dich allerdings noch weiter von der Anerkennung Deiner Studienleistungen. Stichworte hier: BVMD, Private Organisation, Praktika etc. Das hat dann weniger mit einem Medizinstudium im Ausland zu tun, sondern gleicht eher einem Freisemester im Ausland.

Hast Du Dich entschieden, welche Grundform der Organisation es sein soll, geht die richtige Recherche los. Dabei kann (zumindest bei universitär organisierten Plattformen) ein Auslandsbüro hilfreich sein. Beachte dabei die beiden folgenden Punkte: In welchen Sprachraum zieht es mich? Habe ich die entsprechende sprachliche Qualifikation und einen von der Organisation akzeptierten Nachweis? Welche weiteren Voraussetzungen werden gestellt? Brauche ich neben meinem Physikums-Zeugnis vielleicht Referenzschreiben? Kurz: Mach Dich schlau, was Du brauchst und was nicht über Nacht herbeigezaubert werden kann.

Soweit so gut. Der Plan verfestigt sich und die Vielfalt von Universitäten engt sich ein. Jetzt kommt der Teil, der mich die meiste Zeit gekostet hat: Check die jeweiligen Unis. Und das heißt leider nicht nur, welche Stadt hat die beste Barkultur. Kläre, welche Fächer in dem von Dir angestrebten Zeitraum angeboten werden und ob Du diese frei wählen kannst. Wie viele ETCS-Punkte musst Du sammeln? (bei Erasmus wichtig). Wie passen die Punkte in Dein Curriculum? Kannst Du an Deiner Heimatuni Fächer scheiben, um es passender zu machen? Gibt es Erfahrungsberichte? Weißt Du, ob die Auslandskurse tatsächlich anerkannt werden? Und und und...

Ihr kommt euch jetzt vor wie Charlie auf der Suche nach Pepe Silva aus It’s always sunny in Philadelphia? Dann geht es Dir wie mir. Aber Du bist nahe dran. Denn jetzt heißt es sich damit zu befassen, wie das finanziell so alles in Dein Budget passt. Erasmus erspart Dir die Studiengebühren und zahlt Dir eine Studienkostenpauschale, deren Höhe von den Lebenshaltungskosten Deines Ziellandes abhängt. Andere Austauschprogramme decken häufig nur die Studiengebühren. Du hast das Semester privat organisiert? Dann ist ein DAAD-Stipendium vielleicht passend für Dich. Auch nicht? Schau doch Mal, ob es nicht vielleicht ein bilaterales Förderprogramm für Deinen Länderaustausch gibt. Beispiel: Das Fulbright-Stipendium. Solltest Du bereits in einem Begabtenförderwerk sein, bieten auch diese oftmals eine Kostenpauschale für Auslandsaufenthalte.

Hast Du alle Hürden genommen, solltest Du Dich auf die Bewerbung an dem jeweiligen Programm konzentrieren. Der beste Masterplan scheitert, wenn Du hier nicht konzentriert und organisiert vorgehst.

Tipps aus der Westentasche: Kläre, wie das Auswahlverfahren der jeweiligen Programme läuft. Wodurch sammelst Du Punkte? Was ist das Entscheidende bei den Motivationsschreiben? Das Übliche? Hilft ein Ehrenamt? Außercurriculäre Skills und Erfahrungen? Oder wird das Hauptaugenmerk auf das Physikum und das Sprachzertifikat gelegt?

Hast Du auch diese Hürden genommen, heißt es: Korken knallen lassen. Herzlichen Glückwunsch zu Deinem bevorstehenden Auslandsaufenthalt!

Bevor Du Deine Aufmerksamkeit nun aber wieder zurück auf andere Dinge schweifen lässt, recherchiert kurz, wie die Wohnungslage in Deiner Zielstadt ist. Blüht die WG-Kultur und es reicht, sich für die erste Woche einen Platz in einem Hostel zu mieten? Oder verschlägt es Dich – so wie mich – in den hohen Norden? Finnen leben entweder allein oder mit ihren Verlobten. (Ja, sie verloben sich gern schnell und belassen das dann auch erst mal dabei). Da ist es nicht so einfach getan mit „ich fahr mal hin und schau mich um“. In einem solchen Fall solltest Du auf Programme der Universität setzen, denn nichts ist ärgerlicher, als sich zu spät zu bewerben oder die Frist zu versäumen. Kann man zwar machen und lebt dann für 700 Euro pro Monat in einem Airbnb oder Du gibst das Geld einfach für etwas Schöneres aus.

Autor: Robert F.