Studieren im letzten Jahrgang des Modellstudiengangs

Nach vielen Jahren wurde der Modellstudiengang an der Universität Witten/Herdecke reformiert. Der neue MSG versprach mehr Praxisnähe, eine verbesserte Pflichtlehre im klinischen Abschnitt, eine stärkere Ausrichtung auf die Allgemeinmedizin und vieles mehr. Doch dieser neue Studiengang sollte erst ein Jahrgang nach uns eingeführt werden. Was das letztlich für Mich bedeutete, erfährst Du in diesem Bericht.

Vorklinik ohne Druck – und erste Stolpersteine

Da die meisten Abschnitte der Vorklinik im alten und im neuen MSG ähnlich waren, bemerkte Ich zunächst keinen Unterschied. Ich studierte in der Vorklinik ohne großen Druck. Doch als die ersten Klausuren bewertet wurden, fielen einige Kommiliton:innen durch. An sich ist das an der Universität kein Problem: Du wirst trotzdem ins nächste Semester versetzt, musst die Klausur jedoch nachholen.

Rückstufung statt Unterstützung – ein umstrittenes Beratungskonzept

Die meisten von uns schrieben dann zwei MEQs (siehe anderer Bericht) in einem Semester statt nur einen. Doch genau hier begann das Problem: Die durchgefallenen Studierenden konnten sich zwar beraten lassen, vielen wurde jedoch empfohlen, ein Semester zurückzugehen. Die Begründung lautete: „Wenn Du jetzt schon Schwierigkeiten hast, mit Deinem Semester mitzuhalten, wird das in den kommenden Jahren noch schwerer. Lass Dich lieber in den neuen MSG versetzen, damit Du nicht ganz allein studieren musst.“ Da viele aus meinem Jahrgang noch sehr jung waren und das Medizinstudium ihr Erststudium war, ließen sich einige überzeugen und wechselten schon nach zwei Semestern zurück.

Prüfungsdruck in der Klinikphase

In der klinischen Phase wurden die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen MSG deutlich größer. Viele Klausuren wurden nur noch einmal angeboten, und wir mussten sie bestehen – zumindest wurde uns das so vermittelt. Einige Angebote wie z. B. die Medizinethik wurden vollständig reformiert. Das bedeutete für Mich, dass Ich die Leistungsnachweise in diesem Fach so früh wie möglich erbringen musste, da die Inhalte später nicht mehr angeboten wurden.

Ethikbericht mit Hindernissen

Das Referat in Ethik absolvierte Ich deshalb bereits im fünften Semester bei der ersten Gelegenheit. Es fehlte nur noch der Ethikbericht. Dafür besuchte Ich eine Veranstaltung zum Medizinrecht, die Ich im Bericht in eigenen Worten zusammenfassen sollte. Da Ich die Aufgabe jedoch lange vor Mir herschob – unter anderem wegen der Corona-Pandemie – erinnerte Ich Mich nur noch vage an den Inhalt. Inzwischen hatte Ich aber erfahren, dass die Universität bzw. die Lehrstuhlinhaber in bestimmten Fällen ein Ersatzangebot machen konnten. Auf Nachfrage sollte Ich dann jedoch eine 15-seitige wissenschaftliche Arbeit über ein Thema schreiben, zu dem es noch keine Forschungsergebnisse gab. Das war in keiner Weise mit dem Aufwand einer regulären Vorlesung vergleichbar, aber Mir blieb keine andere Wahl, als dieses Angebot zu akzeptieren, um in Meinem Jahrgang weitermachen zu können.

Fehlende Plätze in Blockpraktika

Blockpraktika, die im neuen MSG aus dem Lehrplan gestrichen wurden, konnten nicht mehr so einfach nachgeholt werden. Ich musste zum Beispiel für das Fach Geriatrie mehrfach bei der Klinikkoordination anfragen, bis Mir ein Platz organisiert wurde. Das war mit deutlich mehr Aufwand verbunden, als wenn man regulär seinen Block im eigenen Jahrgang wählt.

Nachschreibedruck durch Strukturprobleme

Nach einigen Semestern fand Ich heraus, dass die Universität verpflichtet war, uns die alten Klausuren weiterhin anzubieten. Da im neuen MSG jeweils eine große Klausur pro Semester geschrieben wurde, die alle Themenfelder abdeckt, musste die Klinikkoordination für die Nachschreiber zusätzliche Prüfungen erstellen, die dem alten MSG entsprachen. Das bedeutete natürlich Mehraufwand – weshalb wir Studierenden unter Druck gesetzt wurden, alle Klausuren beim ersten Mal mitzuschreiben und möglichst zu bestehen.

Enorme Belastung durch Nachschreibetermine

Falls das nicht gelang, wurde im darauffolgenden Semester eine Nachschreibeklausur angeboten. Diese wurde an sogenannten „Nachschreibetagen“ abgehalten. Dabei wurden mehrere Klausuren an nur wenigen Tagen geschrieben. Wenn Du also mehrere Prüfungen offen hattest, musstest Du sie parallel vorbereiten. Gerade bei umfangreichen Fächern wie Pädiatrie und Pharmakologie war das ein enormer Lernaufwand, der kaum realistisch umzusetzen war.

Fehlende Kommunikation und das Gefühl, allein zu sein

Es ist schade, dass Ich erst so spät erfahren habe, dass die Klausuren weiterhin gestellt werden MÜSSEN und wir nicht automatisch in den nachfolgenden Jahrgang wechseln, wenn wir durchfallen. Für einige Leistungsnachweise hätte Ich Mir gerne mehr Zeit genommen, um sie wirklich gründlich zu lernen. Doch dieser Druck ließ das kaum zu. Ich merke bis heute, dass die Universität versucht, die alten Jahrgänge möglichst schnell zum Hammerexamen zu bringen – einfach, weil das weniger Arbeit für sie bedeutet. Das kann Ich einerseits nachvollziehen, andererseits hat Mein Studium dadurch stark gelitten. Ich fühlte Mich oft im Stich gelassen, da die Kommunikation schwierig und teilweise widersprüchlich war.

Mein Appell an künftige Studierende

Mein Rat: Halte in solchen Situationen Augen und Ohren offen. Lass Dich nicht vorschnell von Außenstehenden beeinflussen. Du willst ein Auslandssemester machen? Dann tu das – denn diese Chance wirst Du im Berufsleben kaum wieder bekommen.

Familienplanung während des Medizinstudiums

Da viele Studierende an unserer Universität älter sind, setzen sich einige bereits während des Studiums mit der Familienplanung auseinander. Wenn das bei Dir auch ein Thema ist, solltest Du Dich nicht vom Studium oder dem Druck der Universität davon abbringen lassen. Bei uns konnte eine Kommilitonin während ihrer Schwangerschaft einige Ersatzleistungen erbringen, wenn sie nicht am Blockpraktikum teilnehmen konnte. Sei in solchen Fällen beharrlich. Frage immer wieder nach, verdeutliche Deinen Standpunkt und fordere, wenn möglich, eine Ersatzleistung ein. Es ist nämlich DEIN Studium – und nur Du solltest entscheiden, in welchem Tempo Du es bestreitest.