Neurologischer Untersuchungskurs in der Vorklinik

Einer der wichtigsten Untersuchungskurse in der Vorklinik ist meines Erachtens der Neurologische Kurs. In anderen Bereichen, wie beim Untersuchen der inneren Organe gibt es viele Tests, die in der Praxis leider keine Anwendung mehr finden. Natürlich ist es von Vorteil, diese trotzdem zu lernen, jedoch sind sie primär für die praktische Prüfung (OSCE) wichtig und nicht im späteren Berufsleben.

Die Neurologie beschäftigt sich mit den Nervensystemen und einzelnen Nerven des Körpers. In der Klinik ist es enorm wichtig, den Patienten vollständig neurologisch untersuchen zu können und das im optimalen Fall nur mit den Händen, Tests und einem Reflexhammer. Dadurch können viele Schäden oder Abweichungen sehr einfach differenziert werden und man benötigt die Bildgebung nur zur Bestätigung der Diagnose. Du siehst also, der neurologische Untersuchungskurs ist enorm wichtig, damit Du in der Klinik nicht heillos überfordert bist.

Der Untersuchungskurs in der Vorklinik findet ein Mal pro Woche im dritten Semester – also im Neuro-Semester – statt und schließt mit einer mündlich-praktischen Prüfung (dem OSCE) ab. Er dauerte in der Regel pro Woche zwei Stunden an.

Das Nervensystem ist unheimlich komplex und die Untersuchungen müssen sorgfältig und präzise durchgeführt werden, um keine verfälschten Ergebnisse zu erzielen. Im Untersuchungskurs waren wir deshalb immer eine Gruppe aus 4-5 Personen, die mit einer Co-Tutorin aus einem höheren Semester die Thematik der Woche aufgearbeitet haben. Dabei stand jede Woche ein neues Thema an.

Der Kurs begann aber erst immer mit allen gemeinsam. Wir bekamen eine allgemeine Einführung durch einen Neurologen. Die POL- Fälle waren in diesem Semester enorm groß, weshalb man oft nicht wusste, welcher Schwerpunkt im Untersuchungskurs gelegt werden würde. Die Einführung schnitt deshalb die für die Untersuchung relevanten Strukturen an und ging dann in die Tiefe, wie man einen Schaden bei dieser diagnostizieren könnte. Ein Beispiel dazu wären die peripheren Nerven. Wenn die Handnerven wie der N. medianus besprochen wurde, kamen dann die Tests zum Untersuchen von diesem dazu (Hoffman-Tinel Zeichen, Schwurhand…). Auch war es dann wichtig, die Lokalisation des genauen Schadens zu finden. Falls also dieser Nerv betroffen ist, müssen die anderen beiden Nerven der Hand auch untersucht werden. Falls auch diese ausgefallen sind, muss der zugehörige Plexus (das Nervengeflecht, aus dem der Nerv gebildet wird) untersucht werden. So wurden alle peripheren Nerven, die wir untersuchen könnten, mit ihren Tests und Eigenschaften vorgestellt und in den kleinen Gruppen ging es dann vor allem zum Üben.

Am Anfang des Kurses war es wichtig, alle Systeme verstanden und untersucht zu haben. Zum Ende des Semesters hin wurde es wichtig, eine Struktur in das ganze Wirrwarr zu bringen. Dafür hatten wir auch ein Skript an die Hand bekommen, welches wir auswendig lernen sollten. Hierbei gab es oft ein bestimmtes System, an dem ich mich orientieren konnte. Doch Vorsicht! Dieses war nicht immer zwingend gleich, weshalb schon etwas Nachdenken angesagt war.

Im Folgenden möchte ich Dir zwei Untersuchungsabläufe der Neurologie vorstellen, denn dadurch wird etwas klarer, wie unterschiedlich das Untersuchen aussehen kann, je nachdem, was genau untersucht werden soll.

Die peripheren Nerven der Hand

Oft begann der Untersuchungsablauf mit der Inspektion/Anamnese. Diese sollte noch mal Anhaltspunkte für die genauen Beschwerden geben. Dadurch bildete sich häufig schon eine Verdachtsdiagnose. Beim Untersuchen des N. medianus sollte man beispielsweise auf Asymmetrien der Hände, die Ausprägung der Muskulatur, die Schweißneigung und auf unregelmäßige, kurze Kontraktionen einzelner Muskeln achten. Wenn nämlich ein Nerv der Muskeln versorgt für eine Weile ausfällt, baut unser Körper die Muskulatur weitgehend ab, da er denkt, dass diese nicht mehr benötigt wird.

Weiter ging es mit der Überprüfung der Bewegungsumfang der Hand. Das ist sehr spezifisch für die peripheren Nerven, da nicht jeder Nerv des Körpers Muskeln versorgt. Dafür sollten wir dem (imaginären) Patienten verschiedene Bewegungen mit der Hand vormachen und ihn diese dann nachmachen lassen. Dabei gibt es maximale Gradanzahlen, die der Patient erreichen sollte. Als nächstes konnte hier als grobes Zeichen auch schon der Faustschluss geübt werden, um zu sehen, welcher periphere Nerv der Hand eventuell betroffen sein könnte.

Logischerweise schloss sich nach den Bewegungsumfängen der Muskeltonus an. Dieser wird bei fast allen neurologischen Untersuchungen mit überprüft. Hierbei gibt es eine Gradeinteilung von I bis V. Grad V bezeichnet dabei die vollständige Muskelkraft, während bei Grad I keine Muskelaktivität sichtbar ist. Dann folgten die Reflexe in der Hand und als nächstes die Sensibilität, wie das Wahrnehmen von kalt-heiß, spitz-stumpf und so weiter. Erst am Ende kamen dann die spezifischen Zeichen des N. medianus (oder eines anderen peripheren Nervens) zum Einsatz, wie das positive Flaschenzeichen, das Hoffman-Tinel Zeichen und der Flexionstest nach Phalen.

Die Untersuchung der Hirnnerven

Es klingt immer sehr erstaunlich, aber auch die Hirnnerven können anhand ihrer Qualitäten sehr genau voneinander differenziert werden und das nur mit sehr wenig Aufwand. In der Vorklinik haben wir für die Untersuchungsabläufe jeden einzelnen Hirnnerv extra aufgearbeitet. Damit Du jedoch nicht den Überblick verlierst, werde ich im Folgenden die komplette Untersuchung aller Hirnnerven vorstellen, so wie sie auch dann in der Klinik Anwendung findet.

Auch hier begannen wir erst mal mit einer Anamnese. Dabei achteten wir auf die Mimik des Patienten, da einige Hirnnerven das Gesicht muskulär (und sensibel) versorgen. Dadurch gab es schon Anhaltspunkte, welcher Hirnnerv denn betroffen sein könnte. Bei der Inspektion schauten wir uns auch die Augen, die Mundschleimhäute und die Zunge an. Sind die Schleimhäute extrem trocken, sehen wir einen hängenden Mundwinkel, ist die Zunge ausgetrocknet? Das sind Fragen, die wir uns hierbei stellen.

Als nächstes ging es schon in die Untersuchung der einzelnen Hirnnerven. Der Mensch hat insgesamt 12 Hirnnerven. Hier bietet es sich also an, von oben anzufangen und dann alle zu untersuchen. Einige Hirnnerven können durch eine Anamnese abgefragt werden: „Haben Sie einen Geschmacksverlust bemerkt? Falls ja, was schmecken sie nicht mehr so gut?“ Damit würden wir vor allem den siebten Hirnnerven überprüfen (den N. facialis), da durch diesen süß, sauer, salzig und umami wahrgenommen wird. Bei Auffälligkeiten der Visusprüfung könnte der zweite Hirnnerv – der N. opticus – betroffen sein. Sobald man einen Anhaltspunkt für einen Schaden findet, kann der Nerv dann genauer untersucht werden. Wenn beispielsweise der Sehnerv (II. Hirnnerv) eine Auffälligkeit zeigt, kannst Du durch die Bestimmung der genauen Lokalisation des Gesichtsfeldausfalles nachvollziehen, an welcher Stelle der Sehbahn der Nerv geschädigt sein könnte.

Für die motorischen Nerven folgt dann nach der groben Überprüfung als nächstes die Untersuchung der Muskeln, die von diesem versorgt werden. Beispielsweise versorgt der siebte Hirnnerv auch einige Gesichtsmuskeln und kann klassischerweise durch das Stirnrunzeln, Augen zusammenkneifen, Wangen aufblasen und Zähne zeigen, grob untersucht werden. Auch kleinere Asymmetrien sind hierbei wichtig, da diese schon eine Aussagekraft über die Schädigung haben. Bei manchen Hirnnerven können dann noch Reflexe abgeklopft werden, wobei dies in der Klinik eher selten Anwendung findet – außer Du landest in der Neurologie, dann musst Du natürlich in der Lage sein, alle Reflexe klopfen zu können. In anderen Fächern reicht meist – wenn überhaupt – einer oder zwei. Wenn die Sensibilität noch nicht überprüft worden ist, wird dies bei dem Hirnnerv nun jetzt gemacht.

Damit endet der Untersuchungsablauf der Hirnnerven und man kann am Ende ziemlich sicher sagen, welcher Hirnnerv wo betroffen sein könnte.

Fazit

Die Neurologie ist zwar sehr komplex, aber Du siehst, dass man sehr viel selbst untersuchen kann und nicht unbedingt auf die Geräte wie ein CT/MRT angewiesen ist. Natürlich möchte ich die Wichtigkeit dieser nicht absprechen, da diese in vielen Fällen für die eindeutige Diagnose gebraucht werden. Jedoch kann im akuten Notfall oder um herauszufinden, wo genau der vermutete Schaden liegt, damit der Patient nicht unnötigen Strahlen ausgesetzt wird, die körperliche Untersuchung einen schon enorm weiterbringen.

Es macht auch Spaß, die unterschiedlichen Schäden aufzudecken und dann auch zu wissen, wo der Schaden liegt. Der U- Kurs hat in diesem Semester auch für die Klinik enorm viel geholfen und ich kann mir auch vorstellen, dass ich in meinem späteren Berufsleben – egal in welcher Fachrichtung ich gehen möchte – von diesem profitieren werde. Wer also in der Klinik glänzen möchte, sollte sich unbedingt die Untersuchungsabläufe genauer anschauen und in der Klinik immer wieder üben. Mir ist es beispielsweise am Anfang sehr schwergefallen, den Reflexhammer richtig zu halten und auch heute kommt es immer mal wieder vor, dass ich dafür ein paar Anläufe brauche, um ihn dann richtig zu nutzen. Ich kann Dir hier nur ans Herz legen: Übung macht den Meister!

Autorin: Saher Dilshad