Während meines Medizinstudiums habe ich einige Nebenjobs gemacht, einer davon war die Nachhilfe. Diese Idee kam mir im zweiten Semester. Zu dieser Zeit war ich nun schon eine Weile aus der Schule raus und merkte langsam, dass ich einiges Gelernte langsam vergaß. Dies waren vor allem Sachen, die ich im Studium nicht mehr so oft anwendete, und sie verblassten immer mehr. Da es mir jedoch wichtig war, ein gutes Allgemeinwissen zu behalten, beschloss ich wieder Nachhilfe zu geben. In meiner Schulzeit hatte ich schon Nachhilfe in Mathe gegeben und das hatte mir immer sehr viel Spaß gemacht. Somit war das nicht etwas völlig Neues für mich und ich hatte einen ungefähren Plan, was von einer Nachhilfe erwartet wird.
Im Internet fand ich dann die Anzeige, dass jemand in der neunten Klasse Nachhilfe in Mathe suchte und ich trat mit dieser Familie in Kontakt. Meine Schülerin hatte seit dem letzten Jahr Schwierigkeiten in der Schule und brauchte nun etwas Unterstützung.
Bei der Nachhilfe ist es sehr wichtig rauszufinden, wo genau das Problem liegt. Dies ist manchen nämlich gar nicht so bewusst und Deine Aufgabe ist es, dieses Problem in das Bewusstsein zu bringen und primär daran zu arbeiten.
Es gibt Schüler, die tatsächlich ein Verständnisproblem haben und mit dem Tempo der Schule nicht mitkommen. Hier reicht es oft, diesen die Themen zu erklären und gemeinsam ein paar Aufgaben zu lösen. Manche setzen sich dann selbstständig hin und üben immer wieder, denn im Endeffekt macht Übung den Meister und der Fleiß zahlt sich schließlich aus.
Andere Schüler haben über die letzten Jahre enorme Lücken angesammelt, die Du zuerst gemeinsam mit ihnen aufarbeiten musst, um dann den Anschluss an die Klasse wiederherzustellen. Hierbei musst Du als Nachhilfelehrer den Schüler mehr unterstützen. Du musst für diesen mehr Aufgaben zu den Lücken zur Verfügung stellen, Hausaufgaben aufgeben und diese kontrollieren. Das kann zeitaufwendig werden, aber man kann gemeinsam das Problem minimieren und den Schüler dabei helfen, wieder besser zu werden.
Zu guter Letzt gibt es Schüler, die immer wieder Flüchtigkeitsfehler in den Klausuren machen oder die Fragen falsch verstehen. Hier hilft auch nur das Üben, den Nachhilfeschüler in der Stunde immer wieder Aufgaben selbstständig lösen zu lassen und diese dann mit ihm nachzubesprechen. Es kann hilfreich sein, ihn die gelösten Aufgaben laut selbst kontrollieren zu lassen, damit er seine eigenen Fehler findet. Damit stellt sich der größte Lerneffekt ein und die Fehlerquote in den Klausuren wird dauerhaft geringer.
Du fragst Dich jetzt bestimmt, was diese Erfahrung mit dem Medizinstudium zu tun hat. Auch wenn das am Anfang nicht sofort klar ist, kann Dir das Nachhilfe geben, im Studium sehr viel weiterhelfen. Du lernst Deine eigenen Lernmethoden anzupassen, weiterzuentwickeln und auch an Dir selbst zu arbeiten. Das hilft Dir in deinen Lernphasen weiter. Außerdem habe ich durch diese Zeit gelernt, wie ich komplexe Themen herunterbrechen kann und dadurch verständlich mache. Auch im Studium musst Du immer wieder komplexere Themen bewältigen und anderen erklären. Hier lernst Du, wie Du diese am besten angehst und nicht aufgibt. Außerdem ist eines der wichtigsten Aufgaben als Arzt, medizinische Erkrankungen und Diagnosen einem Patienten so erklären zu können, dass er Dir folgen kann. Dies kannst Du durch das Geben von Nachhilfe sehr gut trainieren.
In einem meiner Berichte hatte ich Dir erklärt, dass es eigentlich unmöglich ist, alles zu lernen und Du im Medizinstudium einiges auf Lücke lernen musst. Das ist richtig, jedoch ist es wichtig zu wissen, wo Du Dir diese Lücken erlauben kannst. Es gibt auch im Medizinstudium einige Themen, die aufeinander aufbauen. Wenn Du diese ausklammerst, dann hast Du enorm viel zu tun und verlierst sehr schnell den Anschluss. Auch hier hat mir die Nachhilfe oft weitergeholfen, mich immer wieder zu reflektieren und zu schauen, ob ich doch nichts Wichtiges in meinem Lernplan vergesse.
Ein weiterer Vorteil ist natürlich, dass ich mich durch das Unterrichten von Mathematik mit einem völlig anderen Bereich als der Humanmedizin auseinandergesetzt habe. Das war manchmal sehr erfrischend, da ich mich ansonsten oft in dieser verloren hätte und vergessen hätte, dass es auch andere wichtige Themen gibt. Gerade im fünften Semester mussten viele bei der Statistikklausur die komplette Basismathematik wiederholen, während ich hier klar einen Vorteil hatte und nur noch die neuen Begriffe lernen musste.
Außerdem ist der pädagogische Teil bei dieser Arbeit nicht zu vergessen. Gerade wenn Du später beispielsweise in die Pädiatrie gehst, ist dieser Punkt manchmal wichtiger als alles andere. Um einen Patienten untersuchen und behandeln zu können, musst Du diesen erreichen können. Kinder sind noch mal ein besonderes Patientenklientel. Es ist unheimlich wichtig, den richtigen Umgang mit ihnen zu lernen, um ihr Vertrauen gewinnen zu können.
Leider musste ich den Job mit dem Beginn meiner Doktorarbeit aufgrund der Zeit aufgeben. Doch ich kann Dich nur ermutigen, diesen auszuprobieren. Du wirst mehr davon profitieren, als Du denkst – und wenn Dir Mathe überhaupt nicht liegt, dann biete einfach ein anderes Fach an.
Autorin: Saher Dilshad