Das Präparieren gehört zu einen der wichtigsten Bestandteile in der Vorklinik. Jeder Medizinstudierende hat schon mal im Präpsaal gestanden und an einem Menschen präpariert. Während jedoch viele Universitäten Testate im Anschluss eines Kurses haben, um das Gelernte abzufragen, ist dies bei uns an der Universität nicht der Fall. Hier ist das Präparieren an einer Leiche freiwillig und findet einmal die Woche statt. Am Anfang des Studiums hatten wir eine allgemeine Einführung mit unserem Anatomiedozenten und durften uns erst einmal die Räumlichkeiten anschauen. Danach erklärte er uns, dass jedes Semester (44 Studierende) zwei Leichen zum Präparieren gestellt bekommen – ein weiblicher und ein männlicher Körper.
Im ersten Semester präparierten wir größtenteils die Haut des Körpers ab. Da der Andrang an Studenten im Laufe der Zeit abnahm, hatte jeder die Möglichkeit, längere Zeit an der Leiche zu arbeiten. Mit der Haut wurde größtenteils das Fett mit weg präpariert. Danach schauten wir auf die Muskulatur und teilweise auf die freigelegten Gefäße hinab. Während dieser ganzen Zeit war immer unser Anatomiedozent und ein Studierender aus einem höheren Semester anwesend. Einerseits um uns anzuleiten und andererseits, um Fragen zu beantworten. Das theoretische Lernen der Anatomie ist zwar wichtig und gut, aber sich die Strukturen in 3-D anzuschauen, hilft ihre Funktion besser zu verstehen und sich dementsprechend besser merken zu können.
Da sich das erste Semester an der UWH größtenteils mit den Knochen und Gelenken auseinandersetzt (also vor allem dem Fachbereich Orthopädie) passte der Präparierkurs thematisch sehr gut. Sich die Muskulatur in Wirklichkeit anzuschauen hat mir enorm geholfen, den Ursprung und den Ansatz der jeweiligen Muskeln zu lernen. Denn dann wurde mir erst klar, wenn der Muskel kontrahiert und sich zusammenzieht, dann zieht er diesen Knochen in Richtung XY. Das machte mir das Lernen dieser Strukturen viel einfacher und half mir auch ihre Relevanz zu verstehen.
Im zweiten Semester ging es weiter mit dem Präparieren im Bauchraum. Das zweite Semester beschäftigt sich vor allem mit den inneren Organen, weshalb sich der Präparierkurs dementsprechend anpasste. Gerade diese Organe sieht man sonst in seinem alltäglichen Leben nicht und in den Anatomiebüchern gibt es meistens eine sehr idealisierte Zeichnung von diesen (was im ersten Moment sehr gut ist, jedoch in der Klinik es schwer macht, manchmal die Strukturen wiederzuerkennen). Mir fiel es beispielsweise sehr schwer, die gesamten Klappen das Herzen zu verstehen und wie diese funktionieren. Nachdem wir das Herz rauspräpariert und uns alle angeschaut hatten, ging ich noch einmal zum Anatomiedozenten, um mir die Funktion des Herzens anhand des Organs erklären zu lassen. Dazu konnten wir das Herz mit ein wenig Wasser füllen, um die Blutsäule im Herzen darstellen zu können. Nun wurde mir auch klar, wieso es die Taschenklappen und die Segelklappen gibt, denn hier merkst Du sehr schön, dass die Funktion des Herzens ihm seine Form gibt. Damit wird es auch einfacher, Herzklappenfehler zu verstehen. Weiter half mir das Präparieren im zweiten Semester die Lagebezeichnungen nachzuvollziehen und ihre Wichtigkeit zu verstehen.
Im dritten Semester ging es dann in die Neurologie und somit auch an die zentralen und peripheren Nervenbahnen. Hier deckte der Dozent zum ersten Mal das bis dahin verborgene Gesicht der Leiche auf, da auch das Gehirn und seine anliegenden Strukturen präpariert werden müssen. Ich muss jedoch sagen, dass ich mich in diesem Semester eher vom Präparierkurs fernhielt, da ich etwas Sorge hatte, diesen Anblick (das Gesicht/den Kopf) nicht so leicht verdauen zu können. Bis dahin hatte ich nämlich noch keine Leiche gesehen und im Präparierkurs werden diese ja extra zum Erhalten der Strukturen speziell aufbereitet, weshalb vieles nicht der „normalen“ Leiche entspricht. In diesem Semester fiel es mir jedoch tatsächlich am schwersten zu lernen und das Gelernte zu verstehen. Hinterher kann ich sagen, dass mir der Präparierkurs vielleicht doch sehr viel geholfen hätte.
Im vierten Semester wurden dann im Präparierkurs die Geschlechtsorgane näher angeschaut. Hier gibt es auch unterschiedliche anatomische Hautschichten, die Du im Präparierkurs sehr gut sehen kannst. Auch die Durchblutung spielt eine wichtige Rolle, weshalb Dir hier der Präparierkurs helfen kann zu verstehen, wo welche Arterie/ Vene herkommt und wieso das so relevant ist. Nun war es im Präparierkurs auch zum ersten Mal relevant, einen weiblichen und einen männlichen Körper zu haben.
Alles in allem hat mir der Präparierkurs enorm geholfen, die unterschiedlichen Strukturen und ihre Funktion zu verstehen, wobei ich dazu sagen muss, dass die Organe natürlich durchblutet (wie im OP-Saal) etwas anders aussehen. Das Lernen mit Verständnis ist sehr wichtig und auch im späteren Klinikalltag erleichternd, um die Erkrankungen der jeweiligen Organe zu verstehen. Außerdem kannst Du das Gelernte viel besser abspeichern, wenn Du mit Verständnis lernst. Somit sind die Sachen leichter in das Langzeitgedächtnis überführbar.
Ich kann Dir also nur empfehlen, das Angebot des Präparierens in Anspruch zu nehmen. Es ist natürlich kein Muss für jede Woche, da es auch Zeit in Anspruch nimmt. Ich schaffte es auch nicht jede Woche den Kurs zu besuchen. Trotzdem versuchte ich, wenn ich im Hinblick auf die Prüfungen anfing, die Sachen auswendigzulernen, das Angebot so oft wie möglich anzunehmen, um mir das Lernen zu erleichtern und auch wichtige Fragen, die sich mir ergaben, stellen zu können. Denn Du bekommst nicht immer die Möglichkeit, in solch einem Rahmen den Dozenten einzubinden und von einer 1:1 Lehre zu profitieren. Allein schon deshalb hat sich für mich das Angebot sehr gelohnt.
Autorin: Saher Dilshad