Das Studium ist in der klinischen Phase, die beiden ersten Semester in der „Klinik“ neigen sich dem Ende entgegen und es kommen die ersten Kommilitonen und verkünden stolz, dass sie sich ein Thema für eine Doktorarbeit gesichert haben. Spätestens jetzt werden auch die letzten Mediziner nervös und sehen das Unheil „Dissertation“ mit großen Schritten näherkommen.
Zunächst einmal sollte sich jeder Medizinstudent die Frage stellen, ob er promovieren möchte oder nicht. Sofern Du eine Tätigkeit an einer Uniklinik anstrebst, ist die abgeschlossene Dissertation, als verbriefter Nachweis, dass Du wissenschaftlich arbeiten kannst, immer noch eine Grundvoraussetzung.
Wenn Du aber beispielsweise nur so lange in der Klinik bleiben willst, bis Du den Facharzt hast und dann in eine Praxis möchtest, ist der Titel nicht zwingend notwendig. Wobei es durchaus von Vorteil sein kann, wenn der „Dr. med.“ auf dem Schild der Praxis steht.
Das Verfahren
Das Dissertationsverfahren besteht grob aus 2 Teilen:
Der Anfertigung der Dissertationsschrift (macht die meiste Arbeit) und der Verteidigung der Arbeit – Disputation genannt. Die Disputation dauert in der Regel 1 Stunde, wobei 15 Minuten die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit vorgestellt werden und 45 Minuten diskutiert werden darf.
Probleme entstehen zum Zeitpunkt der Disputation kaum noch. Die größte Herausforderung ist für viele Studenten die Anfertigung der Dissertationsschrift. Ich möchte nicht auf die Themenfindung eingehen, sondern auf den nachgelagerten Prozess. Nur ganz kurz dazu: Du kannst eigene Themen einbringen und Du kannst an bestimmten Instituten auf bestehende Forschungsbereiche aufspringen und deren vorgegebenes Thema bearbeiten.
Vorteil beim eigenen Thema ist das hoffentlich vorhandene Interesse. Nachteil kann sein, dass Du eigene Daten erheben und auswerten musst – sei es im Labor oder per Fragebögen. Bei bereits bestehenden Themenkomplexen, die ausgeschrieben sind, hast Du den Vorteil, dass die Daten meist schon erhoben sind (evaluiert) und Du diese dann statistisch quantitativ und qualitativ aufarbeiten kannst und Dir damit die Erhebungsphase sparst. Hier eine erste Empfehlung:
1.) Es gibt in den Fachbereichen der Universitäten Seminare in quantitativen Methoden. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als Seminare, welche die Methoden und Werkzeuge der statistischen Auswertung von Daten aufzeigen und vermitteln. Sollten die Begriffe Varianzanalyse, Faktorrotation, Pearsons R, Multivariate Verfahren, SPSS, etc. also Fremdwörter für Dich sein, empfiehlt es sich dringend, solch ein Seminar zu besuchen. Es wird im Hinblick auf eine Dissertationsschrift Gold wert sein.
Eine Dissertation ist der Nachweis, dass Du ein eingegrenztes Thema selbstständig wissenschaftlich bearbeiten kannst. Sofern das Thema steht, gibt es grundsätzlich 2 Möglichkeiten: Du kannst eine empirische Arbeit schreiben, also selbst mit Deinen eigenen Daten oder bereits erhobenen Daten eine Arbeit verfassen. Oder Du schreibst Deine Arbeit über den Stand der aktuellen Literatur zu einem Thema und interpretierst die Erkenntnisse neu bzw. fügst neue Aspekte hinzu. Sobald man mit Daten arbeitet, sollte zwingend der Bereich Statistik angegangen werden.
Wie schreibst Du und auf was musst Du achten
Wissenschaftlich schreiben ist harte Arbeit. Aus diesem Grund verkaufen sich auch Ratgeberbücher zu dem Thema so gut. Du musst diese Art des Schreibens erlernen und es hilft enorm, wenn Du täglich schreibst. Vor dem Schreiben kommt allerdings das Lesen und vor dem Lesen die Literaturrecherche.
2.) Literaturrecherche: Jedes Rezept ist nur so gut wie seine Zutaten. Also, wenn Du eine sensationelle Torte backen möchtest, dann sollte die Butter nicht ranzig und die Milch noch haltbar sein. Das bedeutet Du solltest ausschließlich „weiße Literatur“ verwenden: Bücher und Artikel aus Fachzeitschriften. Keine Artikel aus Blogs, Foren etc. Jeder Fachbereich hat eigene spezielle Onlinekataloge. Gerade in der Medizin sind die besten Artikel häufig aus englischen Journalen – daher sollte Englisch grundlegend beherrscht werden. In meiner Familie gibt es einige Dozenten. Was lesen die zuerst, wenn Sie eine Arbeit erhalten? Das Literaturverzeichnis. Daher muss die verwendete Literatur gut und aktuell sein. Faustformel: Seitenzahl mal 3 entspricht der verwendeten Literatur. Also bei 100 Seiten reiner Text, 300 Literaturangaben. So schnöde es klingt, aber es ist gut, wenn man ein Such – oder Recherchetagebuch führt. Also wenn Du Dir die gesuchten Begriffe und Sätze in eine Liste schreibst und kurz notierst, wie die Ergebnisse waren, hilft das bei der Nachvollziehbarkeit.
3.) Lesen: Was da gelesen wird, ist keine Trivialliteratur. Du benötigst ein wenig Zeit, bis Du wieder in der Fachsprache und der Art und Weise dieser Texte „drin“ bist. Aber es wird besser und besser. Eigne Dir eine Leseroutine an: Also wann am Tag und wie? Manche Menschen sprechen sich die wichtigen Dinge aus den Texten vor, andere unterstreichen die Textstellen, wieder andere fertigen Exzerpte an und nehmen diese als Basis. Probiere aus, was geht und was für Dich gut funktioniert.
a. Nutze bitte eine Software, in der Du die verwendete Literatur abbildest - das vereinfach vieles. Ich selbst nutze Mendeley es gibt aber auch citavi und diverse andere. Programme dieser Art helfen enorm, auch später bei der Erstellung des Literaturverzeichnisses.
4.) Schreiben: Schreibe zunächst einfach runter ohne große Korrekturen. Gutes Schreiben kommt von Umschreiben. Der Text ist äußerst dynamisch und vieles von dem, was Du zu Beginn der Arbeit noch als notwendig erachtet hast, wird im Verlauf der Arbeit gestrichen werden. Nimm hier bitte keine Rücksicht. Grundsätzlich gilt: Keine Aussage ohne Beleg. Das bedeutet, an manchen Tagen liest Du 6-10 Texte und formulierst eine halbe Seite Text. Manchmal liest Du gar nichts, schreibst lediglich Deine eigenen Ideen runter (die dann später belegt werden müssen) und hast 10 Seiten produziert. Auf jeden Fall solltest Du Formatvorlagen in Word nutzen. Falls Du nicht weißt, wie das geht, hilft Dir eine kurze Internetsuche schnell weiter.
5.) Austausch: Spreche mit anderen, die auch gerade im Prozess sind. Stelle viele Fragen an Dozenten und deren Assistenten. Schaue Dir im Internet dazu einige Tutorien an. Das hilft enorm!
Einige letzte Hinweise
Die Erfahrung zeigt, dass Du als Assistenzarzt in den ersten Jahren ziemlich viel Arbeit haben wirst. Daher wäre es gut, wenn die Dissertation zu diesem Zeitpunkt bereits fertig ist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es kein Spaß ist, eine Dissertation berufsbegleitend zu verfassen.
Für weitere Informationen kann ich Dir zwei Bücher ans Herz legen:
- Ebel, Bliefert, Greulich (2012): Schreiben und Publizieren in den Naturwissenschaften.
- Kornmeier (2010): Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht.
Viele Themen wie beispielsweise Zitationsweise, Abbildungen, eigene Darstellungen, Schreibstil, Gliederung, Planung etc. werden dort strukturiert und vertiefend aufgearbeitet und immer, wenn ich nicht wusste, wie ich mit einer Fragestellung umzugehen habe, konnte ich diese beiden Bücher aufschlagen und habe eine Lösung gefunden. Viel Erfolg!
Autor: Michael B.