Im zweiten Semester besuchte ich im Rahmen des Faches Ethik eine Veranstaltung zum Thema Medizinrecht. Diese Vorlesung habe ich später auch zusammengefasst, um den schriftlichen Bericht, der in Ethik angedacht ist, damit abzuhaken. In diesem Bericht möchte ich Dir diesen Querschnittsbereich näherbringen und zusammenfassen, was ich in dieser Vorlesung eigentlich gelernt habe.
Der nicht einwilligungsfähige Patient
Die Vorlesung beschäftigte sich mit einem sehr komplexen Thema, dem wir alle als Arzt in der Klinik während unserer Berufslaufbahn begegnen werden: Der nicht einwilligungsfähige Patient. Wie gehe ich damit um und welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es hierbei zu beachten? Diese Vorlesung sollte uns darüber aufklären und somit in der Klinik nicht ganz unvorbereitet treffen.
(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte
Das Recht des Patienten wird in der Musterberufsordnung der Ärzte festgelegt. Diese ist wiederum verpflichtend für die Ärzte. Doch wie kam dieses Gesetz zustande? Die gesamte Sache ist auf 1894 zurückzuführen. In diesem Jahr wurde bei einem 14-jährigen Mädchen eine Knochentuberkulose des Fußes festgestellt. Eine OP versprach die Heilung, doch der Vater stimmte dem nicht zu. Der Oberarzt amputierte trotzdem den Fuß, weshalb der Vater ihn verklagte und den Zuspruch bekam. Niemand hat das Recht, über den Kopf hinweg eines anderen zu entscheiden und einen Eingriff am Körper vorzunehmen. Die Entscheidungen des Patienten müssen respektiert werden, auch wenn sie manchmal für uns nicht ganz nachvollziehbar sind. Damit der Patient jedoch eine Entscheidung mit gutem Gewissen treffen kann, ist es die Pflicht des Arztes, den Patienten über die Behandlung aufzuklären. Welchen Nutzen man sich dadurch erhofft, aber auch welche Risiken durch diese entstehen können. Nur so kann der Patient eine Entscheidung für oder gegen die Behandlung treffen und die Tragweite seines Tuns nachvollziehen.
Ausdrücklicher Wille vs. mutmaßlichen Willen
Doch die Rechtsprechung ist nicht in jedem Fall so einfach. Es muss von uns Ärzten auch zwischen dem ausdrücklichen und mutmaßlichen Willen unterschieden werden. Du hast es bestimmt schon erlebt, dass Du in der Klinik standest, der behandelnde Patient nicht ansprechbar war und eine Entscheidung zwecks der Weiterbehandlung getroffen werden musste. Hier geht es also dann vor allem um den mutmaßlichen Willen des Patienten, den der Arzt abwägen muss. Wenn der volljährige Patient keine Entscheidung treffen kann aufgrund einer körperlichen/geistigen/ psychischen Behinderung, dann wird dafür ein Betreuer vom Amt zur Verfügung gestellt. Dieser soll den mutmaßlichen Willen des Patienten erörtern und den Ärzten mitteilen. Sollte der Patient jedoch einen ausdrücklichen Willen äußern, darf auch der Betreuer diesem nicht widersprechen. Der Betreuer verfügt auch nur über die Entscheidungsgewalt in den Bereichen, in denen der Patient Hilfe benötigt.
Das Betreuungsgericht als letzter Entscheider
An diesem Punkt der Vorlesung äußerten viele von uns Studierenden Bedenken. Was passiert denn, wenn ich als Arzt das Gefühl habe, dass der Betreuer keine Entscheidung im Sinne des Patienten trifft? Wenn beispielsweise eine Behandlung indiziert ist und ich den Betreuer über diese aufkläre und er dieser widerspricht? Wie geh ich damit um? Habe ich eine Chance, dem etwas entgegenzusetzen oder muss ich das so hinnehmen? Auch für diesen Fall gibt es eine Lösung, nämlich das Betreuungsgericht. Wenn der Betreuer einer Behandlung widerspricht, braucht er die Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Betreuungsgericht schaltet sich in zwei Fälle ein: Wenn der nahende Tod des Patienten ansteht oder aber, wenn dem Patienten ein langwieriger gesundheitlicher Schaden (zum Bespiel durch die angebotene Behandlung) droht. Du fragst Dich jetzt bestimmt, wo in diesem gesamten Kontext die Patientenverfügung eine Rolle spielt. Tatsächlich ist die Patientenverfügung ein sehr komplexes Thema, welches sich aus vielen Komponenten zusammensetzt. Diese wurde in der Vorlesung nicht besprochen, sondern folgte in einer anderen Vorlesungsreihe.
Mit den Ethikvorlesungen einen Vorteil für die Assistenzarztzeit schaffen
Die Vorlesung war, obwohl so viel über Gesetze gesprochen wurde – was bekanntlich eigentlich ein sehr trockenes Thema ist – sehr interessant. Es war auch gut, dass ich mein erstes Praktikum bereits hinter mir hatte und die Problematik kannte. Ich habe den Bericht jedoch viel später geschrieben, nämlich im sechsten Semester. Dabei habe ich bemerkt, dass gerade in diesem Abschnitt mir das Verschriftlichen und Nachdenken über die Vorlesung in meinem klinischen Alltag geholfen hat, die Grenzen zu erkennen und auch zu wissen, wie ich mit diesen umgehen kann. Die Vorlesung bietet sich also vor allem im klinischen Abschnitt an, da Du dann viel eher mit diesen Themen konfrontiert wirst und bei der Vorlesung aufmerksamer zuhörst. In den ersten Semestern kann es sein, dass Du die Vorlesung einfach abarbeitest. Ich finde es auch etwas schade, dass viele Studierende sich die erste Vorlesung in diesem Fachbereich raussuchen und zusammenfassen. Dadurch hast Du zwar den Schein teilweise abgehakt, doch die anderen Vorlesungen zum Thema Medizinrecht werden dann überhaupt nicht mehr besucht, obwohl die klinische Relevanz vieler Themen enorm groß ist. Am Ende heißt es also für Dich, dass Du Dich ansonsten in Deiner Assistenzarztzeit damit auseinandersetzen musst und die Themen selbst aufarbeitest. Ich würde Dir deshalb empfehlen, sofern es sich in Deinem Stundenplan einrichten lässt, die Ethikvorlesungen (wozu auch Medizinrecht gehört) zu besuchen und Dir ein paar Notizen zu diesen zu machen. Dadurch ersparst Du Dir hinterher eine stressige Assistenzarztzeit.
Autorin: Saher Dilshad