Das Blockpraktikum in der Psychiatrie ist eines der Pflichtpraktika und geht insgesamt vier Wochen lang. Im regelhaften Studienverlauf ist es im siebten Semester vorgesehen, in welchem ich dieses auch absolvierte. Um die Psychiatrie hautnah mitzuerleben, entschloss ich mich, in diesem Block auf dem Gelände der Psychiatrie zu leben. Insgesamt waren wir sechs Studenten, die zusammen ein Haus auf dem Gelände bewohnten. In diesem Bericht möchte ich Dir über meine Erfahrungen in diesem sehr konservativen Fach berichten.
Am ersten Praktikumstag wurden wir auf verschiedene Stationen aufgeteilt. Leider war eine Rotation durch die Stationen nicht vorgesehen, was jedoch bei diesem sehr sensiblen Fach und Patientenklientel verständlich ist. Es gab drei Stationen, die primär depressive Erkrankungen behandelten, eine Station, in der vor allem Menschen mit Persönlichkeitsstörungen waren und eine geschlossene Station. Ich wurde für eine Station eingeteilt, die sich primär mit depressiven Erkrankungen beschäftigte.
Der Blocktag begann jeden Tag mit einem Seminar zu einer psychischen Erkrankung. Diese ging in der Regel circa eine Stunde und sollte uns helfen, die Basics für die Psychiatrie zu lernen und zu verstehen. Mit diesen fiel es mir dann leichter im Klinikalltag zu folgen. Das Seminar wurde immer von einem Oberarzt abgehalten.
Des Weiteren war für jede Station einmal pro Woche morgens mit einem Oberarzt eine Kurvenvisite geplant, in welcher die Assistenzärzte mit diesen ihre Patienten durchgingen und von Erfolgen aber auch Misserfolgen erzählten. Nach der kurzen Besprechung eines Patienten wurde der jeweilige Patient gebeten, in den Raum zu kommen. Der Oberarzt unterhielt sich mit dem Patienten und änderte bei Bedarf die medikamentöse Therapie. Danach folgten die Neuaufnahmen oder die Arztgespräche mit den stationären Patienten.
Es waren täglich Neuaufnahmen geplant, bei denen ich mit dabei war. Dabei sollte auch ich meine praktischen Fähigkeiten üben, weshalb ich nach ein paar Malen als stiller Beobachter einige Neuaufnahmen selbstständig unter Supervision eines Arztes durchführte. Danach bekam ich ein kurzes Feedback, was ich noch besser machen kann und was schon gut funktioniert. In der Regel haben die Ärzte bei der Neuaufnahme circa eine Stunde Zeit, den Patienten aufzunehmen und eine körperliche Untersuchung durchzuführen. Da in der Psychiatrie die Patienten meistens sehr belastet sind, kann diese Zeit oft knapp werden, weshalb es umso wichtiger war, sich an den Anamnesebogen zu orientieren, um alles in der Zeit zu schaffen und nicht zu weit abzuschweifen. In dieser Stunde wurden außer der klassischen Fragen einer Anamnese besprochen, wie der Aufenthalt in der Psychiatrie geplant ist. Da ich in Buchenbach an einer anthroposophischen Klinik war, sind auch viele alternative Therapiemethoden im Aufenthalt integriert gewesen. Dazu gehören beispielsweise die Werk-, Musik-, Web- und Maltherapien. Da jede Persönlichkeit individuell ist, ist es dabei wichtig für sich selbst die richtige Therapieform zu finden. Wir Studenten hatten nach unserem regulären Tag die Möglichkeit, jede Therapie auszuprobieren, um zu verstehen, was die Patienten in den Therapien machen und wie das bei der Erkrankung helfen kann. Diese Stunden war sehr bereichernd und lehrreich. Ich habe für mich gelernt, dass mir das Weben und Korb flechten sehr Spaß macht. Diese beiden Therapien wirkten nach dem anstrengenden Tag sehr beruhigend auf mich. Anderen Studenten haben beim Musizieren oder Plastizieren enorm viel Freude empfunden.
Auch die Gespräche mit den stationären Patienten, die ich dann immer wieder im Verlauf sah, waren wirklich spannend. Es war schön mit anzusehen, wie viele Patienten während des Klinikaufenthaltes aufblühten und ihre Zeit in der Psychiatrie genossen. Andererseits war es manchmal auch erschreckend, den Leidensweg der Patienten mit anzuhören und dabei weiterhin professionell zu bleiben und nicht die Fassung zu verlieren. Ich muss ehrlich sagen, dass ich in dieser Zeit viel mit nach Hause genommen und oft noch lange über bestimmte Patienten und ihre Lebensgeschichte nachgedacht habe. Das Loslassen ist mir in keinem Fach so schwergefallen wie in diesem. Es war erstaunlich, wie unterschiedlich die Menschen gestrickt sind. Während die einen schon bei kleineren Belastungen im Alltag Probleme bekommen, gibt es andere, die jahrelang eine immense Last mit sich rumtragen und sehr spät bemerken, wie schlecht es ihnen tatsächlich geht.
Natürlich war es nach den Gesprächen immer wichtig, seine Fälle zu dokumentieren, was sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Doch bei der Dokumentation wurde ich auch miteinbezogen. Ich konnte einen Fall für den Tag selbstständig ausarbeiten und im Anschluss meinem Assistenzarzt vorstellen, damit ich das Erheben von richtigen psychopathologischen Befunden lerne. Nach diesem Vormittag hatten wir nach der Mittagspause ein weiteres Seminar von einem Arzt. Hier konnten wir uns nach dem Seminar gegenseitig unsere Fälle vorstellen und gemeinsam nachbesprechen. Dies war auch eine Vorbereitung auf die praktische Prüfung, die am Ende des Praktikums folgen sollte.
Als Nächstes ging es – wie oben erwähnt – in die künstlerischen Therapien. Danach war der Tag geschafft und wir konnten in unser Haus zurück. Das Wohnen am Gelände tat mir persönlich sehr gut, da einerseits der Abstand zur Psychiatrie ausreichend war und andererseits das Gefühl der Entspannung auch in unserem Haus erhalten blieb.
Die OSLER- Prüfung
Nach der vierwöchigen Praktikumszeit folgte die praktische Prüfung am Patienten. Die Patienten wurden von der Chef- und Oberärztin vorher ausgesucht, wobei darauf geachtet wurde, dass keiner einen Patienten von seiner Station bekommt. Das heißt, wir hatten den Patienten vor der Prüfung noch nie gesehen.
Am Morgen des Prüfungstages traf ich die Chefärztin in ihrem Büro und sie brachte mich zu meiner Patientin auf die Station. Ich hatte dann eine Stunde Zeit, mich mit der Patientin zu unterhalten und eine Fallvorstellung vorzubereiten. Nach der Anamnese verabschiedete ich meine Patientin und blieb noch etwas im Raum, um eine strukturierte Fallvorstellung zu entwerfen. Meine Patientin hatte von Symptomen erzählt, die mit einer Angststörung, aber auch mit einer depressiven Episode gut zusammenpassten. Um meine Diagnose zu stellen und zu stützen, rief ich mir das erlernte aus dem ICD-10 in den Kopf. Ich erinnerte mich, welche Symptome für eine depressive Episode sprechen und wie viel Kriterien meine Patientin erfüllt. Dadurch klassifizierte ich ihr eine leichtgradige depressive Episode mit einer gemischten Angststörung. Um welche Angststörung es sich genau handelte, konnte ich auch dank der Seminare und des ICD-10 Codes unterscheiden. Als Letztes verfasste ich noch einen psychopathologischen Befund der Patientin und schrieb meine Therapieempfehlung auf.
Nach der Stunde traf ich wieder bei der Chefärztin ein und durfte dann meinen Fall vor ihr und einer Oberärztin vorstellen. Nach der Vorstellung folgten noch Rückfragen zum Fall aber auch allgemeine Fragen zu anderen psychiatrischen Erkrankungen. Dabei wurde von mir auch erwartet, die medikamentösen Therapien zu kennen und dementsprechend Nachfragen bezüglich Nebenwirkungen und Kontraindikationen beantworten zu können. Nach 15 Minuten war das Gespräch beendet und ich durfte den Raum verlassen. Etwa 5 Minuten später wurde ich wieder hereingerufen und bekam dann meine Note.
Fazit:
Insgesamt war der Psychiatrie Block sehr lehrreich und das Vorbereiten auf die Prüfung hat mir noch mal einen Ansporn gegeben, mich intensiver mit den verschiedenen Krankheitsbildern auseinanderzusetzen. In Zeiten von Corona ist uns allen klar geworden, wie wichtig es ist, auf seine psychische Gesundheit zu achten. Viele von uns haben gespürt, wie sehr unsere Psyche unter dieser schwierigen Zeit unter anderem durch die Einschränkung der sozialen Kontakte gelitten hat. Psychische Erkrankungen können uns auch in unserem späteren Berufsleben überall begegnen, deshalb ist es wichtig, sensibler dafür zu sein und dies in unsere Therapien miteinzubeziehen. Alles in allem kann ich schon aus diesem Grund einen Block/ eine Famulatur in der Psychiatrie empfehlen!
Autorin: Saher Dilshad