Erfahrungsbericht Doktorarbeit

Ich starte mal damit, dass ich mich damals sehr gefreut hätte, irgendeine Art von Erfahrungsbericht zu lesen, bevor ich mich auf meine Doktorarbeit gestürzt habe.

An meiner Universität gab es mehrfach im Jahr eine Forschungsbörse, bei der Forschungsgruppen sich mit kleinen Plakaten, Kaffee und Brezeln bei den Studenten vorgestellt und für ihre Projekte geworben haben. Doktoranden sind ein wertvolles Gut, da sie zum einen unbezahlt arbeiten und zum anderen den Vorteil bieten, dass zumeist ein Doktorvater/Doktorandenbetreuer dadurch seine Habilitation erhält. Aus diesem Grund werden bei einer derartigen Börse oder auch bei einem darauffolgenden Bewerbungsgespräch die Nachteile oft nicht angesprochen, und seitens der Studenten fehlt es an Erfahrung, sodass sie oftmals gar nicht wissen, welche Fragen wichtig zu stellen sind.

Meistens sucht man schon zu Beginn des klinischen Abschnittes nach einem Projekt, ohne sich bewusst darüber zu sein, was das alles genau bedeutet und welche Aufgaben und Verpflichtungen es mit sich bringt. Zwischen der Zeit im 5. Semester und der im PJ kann sich Dein Leben und Deine Ansichten auch sehr verändern, sodass Du dies eventuell im Hinterkopf behalten solltest, wenn Du einem langwierigen Projekt beitrittst.

Bei der Doktorarbeit unterscheidet man drei verschiedene Arten: experimentelle Arbeit, klinische Studie und Literaturrecherche. Ich mache eine klinische Studie und werde daher über meine Erfahrungen in diesem Bereich berichten.

Der Weg zum Doktortitel begann für mich mit einem ersten Gespräch, in dem ich mein Interesse bekundet habe und mein Betreuer mir grob erklärte, was in der Studie untersucht wird. Es lohnt sich sehr, sich in die Thematik zumindest oberflächlich ein wenig einzulesen, damit Du Dir inhaltlich vorstellen kannst, was von Dir erwartet wird.

Was die Organisation und Bürokratie angeht, ist dies ein deutlich komplexeres Thema. Oftmals fehlt es zu diesem Zeitpunkt leider noch an genug Erfahrung in dem Bereich, um einschätzen zu können, inwiefern eine gute Betreuung, ein gutes Team mit fairer Zusammenarbeit und faire Planungszeiten bestehen.

Daher ist es äußerst wichtig, klar zu besprechen, was Du erwartest und was von Dir erwartet wird.

Zeit

Wie viel Zeit bist Du bereit zu investieren? Wöchentlich um Probanden zu sehen, Freisemester, Semesterferien, allgemeine Dauer der Studie. Kommuniziere klar, ob Du längere Urlaube planst, ob vielleicht Familienplanung irgendwann ein Thema wird, ob Du Dir für die Arbeit freinehmen möchtest und ob und wo Du ins PJ gehen wirst.

Team

Es ist zudem äußerst wichtig, klar Deine Aufgaben zu kennen und sie schon zu Beginn so festzuhalten, dass man Dir im Laufe der Zeit nicht immer wieder mehr aufbürdet. Und falls Du Dir nicht klar darüber bewusst bist, wie viel Zeit zum Beispiel die ein oder andere Untersuchung benötigt oder wie genau die Rekrutierung aussehen wird, dann lass Dir das genau beim Planungsgespräch erklären. Ich hätte im Nachhinein vor dem Unterschreiben meines Vertrages darum bitten sollen zu „hospitieren“, um mir klar vor Augen zu führen, was die einzelnen Aufgaben beinhalten.

Ziel und Alternativen

Besprich mit Deinem Betreuer von Anfang an ganz klar, was Dein Ziel ist. Sowohl zeitlich (wann willst Du spätestens fertig sein) als auch das Ziel Deiner Arbeit. Damit meine ich, klar zu kommunizieren, ob Du bereit bist, für die Studie alles zu tun oder ob Du eher realistischer träumst und einfach eine gescheite Arbeit abgeben möchtest, um Deinen Doktortitel zu bekommen. Dies bedeutet auch, eine Art Worst-Case-Szenario zu besprechen. Was, wenn die Rekrutierung nicht gut läuft oder etwas anderes Unvorhergesehenes passiert? Was kannst Du dann mindestens schreiben, um noch eine gute und valide Forschungsarbeit zu bekommen?

Ich hatte leider das Pech, dass ich ein super Thema mit einem super Projekt, aber leider sehr schlechten Rahmenbedingungen hatte. Erst nachdem ich meinen Promotionsvertrag unterschrieben hatte, habe ich erfahren, dass immer noch der Ethikantrag aussteht. Mir gegenüber wurde nicht kommuniziert, dass dieser auch mal mit diversen Änderungsbitten bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen kann, was bei meiner Planung innerhalb von 2,5 Jahren fertig zu sein, plötzlich ein Problem darstellte. Zudem wurden kurzfristig einige Mitarbeiter, die in meinem Team sein sollten, in verschiedene Studien des Chefarztes um geplant, sodass ich im Endeffekt zu einer One-Man-Show wurde. Überraschenderweise lief auch der Arbeitsvertrag meines Doktorvaters nach 2,5 Jahren aus. Dies wäre kein Problem gewesen, wenn wir bei der ersten zeitlichen Planung geblieben wären, was aber, wie bereits erwähnt leider nicht der Fall war. Dadurch mussten wir mitten in der Datenerhebung auf eine externe Betreuung umschwenken.

Das alles waren Rückschläge, die zwar nicht wirklich planbar waren, jedoch bei einer besseren Vorbereitung meinerseits und einer transparenteren Kommunikation seitens meiner Betreuung nicht ganz so schwer ins Gewicht gefallen wären.

Ich kenne auch viele Kommilitonen, die für ihre Doktorarbeit eine Literaturrecherche angefertigt haben und superzufrieden damit waren. Klar ist das dann vielleicht nicht unbedingt die Forschung, die die Welt der Medizin revolutionieren wird, aber nicht jede Forschung muss das und nicht jeder Doktorand will das.

Meine Empfehlung

Mach Dir klar und deutlich bewusst, warum Du die Doktorarbeit schreiben willst. Wenn es nur für den Titel ist (was absolut legitim ist und diverse nachweisbare Vorteile bietet), dann such Dir eine dementsprechende Arbeit aus. Möchtest Du tatsächlich Großes in der Forschungswelt erreichen, dann solltest Du auch dazu bereit sein, dementsprechende Opfer einzugehen und Dir bewusst darüber sein, welcher Aufwand Dich erwarten kann.

Fazit

Trotz meiner teils negativ geprägten Erfahrungen habe ich während dieser Zeit viel gelernt. Besonders die Selbstständigkeit in der Organisation und Kommunikation mit diversen Parteien. Ich lernte mit der Zeit auch für mich und mein Projekt einzustehen und arbeitet mich in ein Thema ein, welches im Studium oft keine Erwähnung findet und entwickelte eine echte Bindung zu meinem Thema und dem Projekt. Das wiederum ist sehr motivierend und macht wirklich Spaß.