In der klinischen Phase des Studiums sind zahlreiche Prüfungen zu absolvieren, damit Du letzten Endes zum 2. Staatsexamen zugelassen wird. Viele Prüfungen finden direkt im Anschluss des jeweiligen Blockpraktikums (Famulatur) statt. Da das Studium an unserer Uni sehr praxisorientiert ist und viel Wert auf unsere praktischen Fertigkeiten gelegt wird, ist es nicht verwunderlich, dass wir auch in vielen Fächern praktische Prüfungen ableisten. Dies ist auch nach meinem Blockpraktikum in der Kinderheilkunde der Fall gewesen.
Dabei werden zwei unterschiedliche Prüfungsformate von praktischen Prüfungen unterscheiden, den OSCE (Objective Structured Clinical Examination) und den OSLER (Objective Structured Long Examination Record). Der Unterschied zwischen diesen Prüfungen besteht primär darin, dass beim OSCE die Studenten ihre erlernten Untersuchungsmethoden an Simulationspatienten vorzeigen und diese bewertet werden. Der OSCE findet in der Regel für alle Studenten an der Universität statt.
Im OSLER hingegen muss der Student seine erlernten praktischen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten am Patientenbett evaluieren. Somit prüft der OSLER die Fähigkeiten des Studenten im realen Patientenkontakt und dies kann am einfachsten im Blockpraktikum vor Ort geprüft werden.
Nach meinem Blockpraktikum in der Kinderheilkunde mussten wir einen OSCE absolvieren. Da es aus bekannten Gründen sehr schwierig und nicht vertretbar ist, Kinder als Simulationspatienten einzusetzen, war diese Prüfung etwas anderes als der reguläre OSCE. Viele Untersuchungsmethoden mussten an Kinderpuppen vorgezeigt werden oder aber – wie tatsächlich auch oft im realen Patientenkontakt – wurden Anamnesegespräche mit den „Simulationseltern“ geführt.
Insgesamt gab es bei diesem OSCE sechs Stationen, wobei wichtige Krankheitsbilder der Kinderheilkunde abgefragt wurden. Vor der Prüfung wurde uns Studenten ein Lernzielkatalog zur Verfügung gestellt, damit wir uns gut auf die Prüfung vorbereiten können. Mit Kindern in der Klinik umzugehen und diese gut zu behandeln ist eine völlig neue Herausforderung und man muss seine bis jetzt erlerntes Wissen umstrukturieren und eine neue Herangehensweise finden. Deshalb waren in diesem OSCE die richtige strukturierte Anamneseerhebung von erheblicher Bedeutung, um auch Krankheitsbilder in akut und subakut einteilen zu können und auch entscheiden zu können, welches Kind stationär aufgenommen werden müsste und wieso. Diese Einschätzung ist nicht sehr einfach und verlangt nach sehr viel Feingefühl.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die vollständige körperliche Untersuchung des Kindes/Säuglings, denn viele Kindererkrankungen machen systemische Symptome und nicht ein spezifisches Symptom am erkrankten Organ. Deshalb ist es wichtig, ein Kind vollständig zu entkleiden und zu untersuchen. Dabei muss auch beachtet werden, dass Kinder sehr schnell misstrauisch werden und sich beim Entkleiden unwohl fühlen. Es kann gut passieren, dass ein Kind beim Erzwingen der Entkleidung anfängt zu schreien, was es im weiteren Verlauf sehr schwierig macht, einen qualitativ guten körperlichen Befund erheben zu können. Man muss sich vorsichtig herantasten und manche Untersuchungstechniken zu Anfang/zum Ende durchführen, damit nicht alles vom Schrei des Kindes überlagert wird. Das strukturierte Untersuchen eines Kindes von Kopf bis Fuß ist oft in der Regel nicht möglich. Beispielsweise habe ich in der Prüfung recht schnell die Lunge abgehört, da Kinder oft nicht am Anfang der Untersuchung schreien und es ansonsten sehr schwer ist, die Lunge gut zu beurteilen. Zur Beruhigung: Es ist eigentlich ein gutes Zeichen, wenn ein Kind schreit, denn das bedeutet, dass es noch die körperliche Kraft besitzt, seinem Unmut kundzutun. Wenn ein Kind nicht schreien würde und sich halbherzig wehrt, dann ist das für einen Kinderarzt ein großer Grund zur Sorge. Das zeigt nämlich, dass die Erkrankung des Kindes ihn schon körperlich sehr erschöpft hat und er nicht mehr in der Lage ist, seine Umgebung richtig wahrzunehmen.
Da jede „Kinderkrankheit“ einen unterschiedlichen Hautausschlag auslösen kann, bestand auch eine Station aus diesen Ausschlägen. Hier ging es darum, die richtige Erkrankung dem Ausschlag zuordnen zu können und erklären zu können, in welchem zeitlichen Ablauf dieser auftritt.
Eine sehr akute Erkrankung, mit der Du Dich in der Pädiatrie oft auseinandersetzen musst, ist die Gehirnhautentzündung (Meningitis). Da Säuglinge nicht sprechen können, ist es umso wichtiger, schnell eine Meningitis zu erkennen und zu behandeln. Hier zählt für die spätere Entwicklung des Kindes jede Sekunde. Deshalb gab es in unserer Prüfung eine Station mit einer Säuglingspuppe, die Meningitiszeichen aufwies. Unsere Aufgabe war es, den Patienten trotz aller Anzeichen komplett zu untersuchen und zu erklären, auf welche Anzeichen wir bei dieser Fremdanamnese durch die Eltern achten würden und wieso.
Im OSCE kamen viele Stationen dran, in denen sehr spezifische Kinderkrankheitsbilder abgefragt wurden und in denen wir auch die Therapie dazu erklären mussten, obwohl natürlich viele Erkrankungen der Kinder auch im Erwachsenenalter auftreten können. Dies sollte uns nämlich für die Kinderheilkunde sensibilisieren und gerade wichtige Erkrankungen, die wir in unserer Assistenzarztzeit bei Kindern in der Notaufnahme sehen, einschätzen zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die anzuordnende Diagnostik. In der Kinderheilkunde werden invasive Untersuchungen sehr gut überlegt angeordnet, um das Kind und die Eltern nicht unnötig zu überlasten. Deshalb mussten im OSCE alle diagnostischen Anordnungen, die wir vornehmen würden, gut erklärt werden und das selbst bei einer eigentlich regulären Blutentnahme. In der Kinderheilkunde wird viel Wert auf das händische Untersuchen gelegt und nicht auf die invasiven Untersuchungsmethoden. Denn im Endeffekt können wir in jedem Fachbereich in die Lage geraten, ein Kind zu untersuchen. Der OSCE dient hier zur Vorbereitung und um die wichtigsten Basics für den Ernstfall zu erlernen.
Autorin: Saher Dilshad