Der Sozialmedizintag

An der Universität Witten/Herdecke findet der Sozialmedizintag unabhängig von den Vorlesungen in der Arbeitsmedizin statt und schließt mit einem eigenen Leistungsnachweis ab. Auch hierbei gab es – wie in der Arbeitsmedizin – für uns eine Besonderheit. Die Sozialmedizinvorlesungen glichen auch nicht dem „normalen“ Vorlesungsformat, wie wir es aus der Universität kannten, sondern fanden in der Rehaklinik des Lehrstuhlinhabers statt.

Wir bekamen früh genug Bescheid und fuhren in Fahrgemeinschaften zu dieser Klinik. Die erste Veranstaltung fand um 10 Uhr im riesigen Vorlesungssaal statt. In diesem wurden uns auch Getränke und Kaffee bereitgestellt und ich fühlte mich ein wenig, als wäre ich auf einem Kongress. Der Lehrstuhlinhaber der Sozialmedizin begann seinen Vortrag mit einer allgemeinen Begrüßung und dann einer Einführung in die Sozialmedizin. Dabei erklärte er uns nochmals, welche Inhalte die Sozialmedizin umfasst und welche Ansätze es gibt, diese Arbeitsfelder miteinander zu kombinieren. Hierbei wurde mir dann auch etwas klarer, wieso wir in einer Rehaeinrichtung saßen und was die Sozialmedizin mit dieser zu tun hat. Im nächsten Punkt folgte dann ein geschichtlicher Überblick über die Sozialmedizin, wobei wichtige prägende Figuren für diese genannt wurden. Es ging weiter mit elementaren Grundlagen in der Sozialmedizin, wobei uns einige Gesundheitsmodelle vorgestellt wurden, diese hatte ich immer mal wieder im Laufe des Studiums aufgeschnappt, doch jetzt konnte ich sie besser einsortieren. Das waren beispielsweise das Salutogenese-Modell oder das biopsychosoziale Modell.

Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie viele Faktoren zur Gesundheit eines Menschen beitragen und ich hatte sehr viel Spaß, diese noch mal durchzugehen und mir ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich ist das später auch für die ärztliche Tätigkeit – egal in welchem Fachbereich – enorm wichtig zu wissen und auch dementsprechend auf den Patienten eingehen zu können. Da wir uns in einer kardiologischen Reha befanden, ging der Dozent als letztes noch auf die kardiovaskulären Erkrankungen ein und erklärte uns, welche Einschränkungen sie für den Straßenverkehr mit sich bringen.

Ich kann Dir nur empfehlen, Dich in dieses Thema einzuarbeiten! Viele Ärzte/Kardiologen müssen akute Situationen bewältigen und versuchen, Patienten durch verschiedene zur Verfügung stehende Maßnahmen am Leben zu erhalten. Manchmal geht hierbei aber unter welchen Beruf der Patient beispielsweise hat. Das erscheint Dir vielleicht im ersten Moment als nicht so wichtig, doch kann zum Beispiel eine Schrittmacherimplantation für einen Patienten, der beruflich ein Kraftwagen fährt (LKW-Fahrer, Taxifahrer…) bedeuten, dass er nicht mehr in seinen Beruf zurückkehren kann, da er nun als fahruntauglich gilt. Das kann wiederum Existenzängste beim Patienten auslösen, da er sich nun neu umstrukturieren muss und einen neuen Job in einer völlig anderen Branche finden muss. Dann hast Du im schlimmsten Fall zwar den Patienten mit seiner kardiologischen Erkrankung geholfen, aber nun steht er unter akutem psychischem Stress, der sich wiederum auf seinen sowieso schon geschwächten Körper auswirken kann. Also Augen auf und informiere Dich über solche Einschränkungen rechtzeitig!

Am Ende besprachen wir noch die unterschiedlichen Reha-Angebote und welche Ziele denn eine Reha verfolgt. Der Vortrag dauerte insgesamt 1,5 Stunden und wir hatten danach eine kleine Pause. Danach folgten noch weitere Vorträge. Ein Mitarbeiter aus dem Team der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB)“ stellte uns diese vor und ging vor allem auf Menschen mit Behinderung in der ärztlichen Sprechstunde ein. Da der Dozent selbst ein Betroffener war, war dieser Vortrag persönlicher gestaltet und er konnte uns sehr gut aufzeigen, wie wir später in unserer ärztlichen Tätigkeit Menschen mit Behinderungen in unserer Sprechstunde einbinden können.

Der nächste Vortrag handelte von der Neurorehabilitation. Dieser Vortrag zeigte uns nochmal detaillierter, wie eine neurologische Reha aufgebaut ist, was man von dieser erwarten kann, welche Modelle Anwendung finden und was eigentlich Rehakliniken sind. Der letzte Vortrag wurde dann von einer anderen Dozentin gehalten und handelte von der Pflegeversicherung. Der Tag endete für uns alle im Anschluss um 16 Uhr und wir traten die Heimreise in unseren Fahrgemeinschaften an.

Insgesamt war der Tag sehr interessant gestaltet und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich fand es ein wenig schade, dass die Vorträge wenig Aufmerksamkeit von uns voraussetzten, da die Dozierenden kaum interaktiv mit uns die Vorträge durchgingen. Das hätte mich manchmal bei komplizierteren Themen etwas davon abgehalten, in Gedanken zu weit abzuschweifen. Da uns jedoch die Vortragsfolien hinterher online zur Verfügung gestellt wurden, konnte ich zumindest alles Wichtige noch einmal nachlesen. Ich hatte auch das Gefühl, dass der erste Vortrag vom Lehrstuhlinhaber am stärksten auf die Sozialmedizin einging. Die anderen Vorträge waren eher Praxis Beispiele, weshalb ich mir hier schon erlauben konnte, nicht immer ganz so aufmerksam zu sein.

Eine Woche nach dem Tag fand dann die Multiple Choice Klausur an der Universität statt und ich muss sagen, dass diese enorm schwer war. Es wurden teilweise sehr spezifische Modelle abgefragt und einige Punkte, die auf den Vortragsfolien und am Tag nicht so spezifisch erklärt worden waren. Das hat mir die Prüfung schwerer gemacht und ich war darüber etwas traurig, denn den Sozialmedizintag hatte ich eigentlich sehr genossen. Schade, dass die Prüfung jedoch nicht so sehr an diesem orientierte.

Trotzdem habe ich an dem Tag sehr viel lernen können – wenn nicht für die Prüfung, aber für meine ärztliche Tätigkeit und das ist noch viel wichtiger. Ich würde Dir empfehlen, solche Angebote von der Universität anzunehmen, denn im Endeffekt kann Dir ein praktizierender Mediziner sehr viel über Deinen Beruf beibringen und sich dabei auf die wichtigen Sachen beschränken.

Autorin: Saher Dilshad