Nun war es soweit. Nach 4 Wochen intensivem Blockpraktikum mit regelmäßigem Unterricht sollte ich mein Können in der Inneren Medizin unter Beweis stellen. Dafür war der OSLER – eine mündlich-praktische Prüfung beim Chefarzt – vorgesehen. Zu Beginn der 4. Woche auf Station suchte ich mir einen geeigneten Patienten für die Prüfung heraus. Dafür befragte ich auch nochmal die zuständige Stationsärztin, ob auch sie diesen Patienten für die Prüfung geeignet hielt. Das heißt, ob sein Fall nicht zu komplex ist, aber auch nicht zu einfach. Uns wurde vorher gesagt, dass wir den Patienten bitte sorgfältig aussuchen sollten, damit die Prüfung dementsprechend nicht zu schwer wird. Ein Patient, der beispielsweise erstmalig mit einer leichten Lebensmittelvergiftung auf der Station lag, war zu einfach für die Prüfung, während ein Patient mit zehn Diagnosen den Rahmen sprengen würde.
Leider gab es ausgerechnet in dieser Woche keinen klassischen Patientenfall wie einen Gallengangsstein oder eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Die meisten Patienten hatten eine komplexere Krankengeschichte hinter sich oder konnten leider kein Deutsch, weshalb die Anamnese erschwert war. Ich entschied mich also für einen Patienten mit einer etwas komplizierten Krankengeschichte, von der ich dachte, dass ich diese gut aufbereiten und wo ich durch die Anamnese noch Unstimmigkeiten ausarbeiten könnte.
Mein Patient hatte vor einigen Monaten einen Stein im Gallengang gehabt, der herausgenommen wurde. Dabei wurde bei ihm festgestellt, dass der Hauptgang aus der Gallenblase/ Leber etwas verengt war. Um diese Verengung aufzulösen, wurde ein Stent eingelegt. Dies wird gemacht, da ansonsten die Wahrscheinlichkeit, dass noch einmal ein Stein stecken bleibt, um ein Vielfaches steigen würde. Jedoch verblieb der Stent nicht an seiner Stelle und verrutschte, sodass er letztendlich im viel kleineren Gang der Bauchspeicheldrüse landete. Die Bauchspeicheldrüse ist ein sehr empfindliches Organ und reagiert auf Manipulationen überschießend. Durch diese Problematik entwickelte sich eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse, welche sich leider sehr lange hinzog und den Allgemeinzustand des Patienten dramatisch verschlechterte. Nach Abheilung bildeten sich Abszesse in der Nähe der Bauchspeicheldrüse und die eingelegten Stents verstopften immer wieder, sodass der Patient immer wieder Schmerzen bekam.
Dieser Fall war zwar sehr komplex, doch der Patient freute sich, dass ich mir am Montag die Zeit nahm und mit ihm nochmal ausführlich sprach. Am Ende unserer Anamnese untersuchte ich einmal grob das Abdomen des Patienten und bedankte mich für seine Auskunft. Danach arbeitete ich mich in den nächsten 2 Tagen durch seine Krankengeschichte durch, strukturierte meine Fallvorstellung und las mir wichtige Differentialdiagnosen, die eventuell passen könnten, nochmal genauer durch.
Am Mittwoch fanden wir, 4 Blockstudenten, uns im Büro des Chefs ein, wo die Prüfung stattfinden sollte. Wir saßen alle gemeinsam am Tisch und ich durfte mit meiner Fallvorstellung beginnen. Nachdem ich den Fall nach dem SOAP-Schema vorgestellt hatte (ein Anamneseschema, das sehr gerne in der Inneren Medizin angewandt wird), ging nun die Prüfung für mich los. Der Chefarzt stellte mir Fragen bezüglich meines Patienten, aber auch sehr allgemeine Fragen zur Inneren Medizin. Anders als bei anderen OSLER wollte der Chef jedoch keine Ausführungen und Begründungen hören, wieso ich mir etwas vorstellen könnte, sondern er beharrte vielmehr darauf, direkte Antworten zu bekommen und auch nicht zu lange zu überlegen. Das war etwas schwierig für mich, da ich mich teilweise einarbeiten musste und auch nicht jedes Krankheitsbild schon so spezifisch kannte, wie er das gerne gehabt hätte. Ich hatte mich in meiner Vorbereitung darauf beschränkt, klassische Krankheitsbilder der Inneren Medizin anzuschauen, da dieser Fachbereich so groß ist und die Zeit zum Lernen parallel zum langen Blocktag sehr knapp bemessen war. Das war jedoch in der Prüfung zu wenig, was mir nun auffiel.
Noch schwieriger wurde es, wenn der Chefarzt mich unterbrach, da mich das völlig aus dem Konzept brachte und ich dann teilweise Sachen vergaß, die ich eigentlich gelernt hatte. Ich hatte bei einigen Fragen das Gefühl, dass diese vor allem für das dritte Staatsexamen waren und dementsprechend etwas zu früh für mich. Dieses Gefühl wurde vor allem dadurch bestärkt, dass der Chef manchmal beiläufig sagte "Im Staatsexamen hätte ich Ihnen für diese Antwort keinen Punkt gegeben."
Nichtsdestotrotz war seine Bewertung fair und auch das Nachbohren bei Lücken hat mir persönlich geholfen, meine Lücken aufzudecken und dementsprechend noch mehr dafür zu machen. Schließlich steht bald die schriftliche Prüfung der Inneren Medizin an und dann folgt auch bald das zweite Staatsexamen, und dafür sollte ich zum Bestehen auf jeden Fall noch etwas zulegen.
Autorin: Saher Dilshad