Der OSLER in der Chirurgie

Im zweiten Blockpraktikum in der Chirurgie steht am letzten Tag eine Prüfung an: der mündlich-praktische OSLER. Auch bei mir war es dann nach 4 Wochen soweit und ich musste einen Patientenfall vorbereiten. Am Montag in der letzten Woche suchte der Chefarzt der Viszeralchirurgie mit uns gemeinsam unsere Patienten bei der Visite aus. Wir waren insgesamt 5 Blockstudenten, die jeweils einen Patienten brauchten, der sich als Prüfpatient eignete (optimalerweise ist dieser größtenteils mobil für die Untersuchungen, hat ein klassisches Krankheitsbild der Viszeralchirurgie, liegt noch bis Mittwoch auf der Station, ist orientiert und kann sich gut mit einem von uns unterhalten). Das klingt im ersten Moment leichter als gedacht. Viele Patienten, die heute länger auf Station bleiben, haben komplexere Behandlungsschemata und haben schon einiges mitgemacht. Dementsprechend gab es bei der Verteilung zwei Patienten, die sich zwar gerne als Prüfpatienten bereit erklärten, sich jedoch eigentlich nicht so gut dafür eigneten. Du brauchst bei diesen enorm viel Zeit, um Dich gut in ihre Krankheitsgeschichte einzuarbeiten. Da damit die Rahmenbedingungen nicht für uns alle gleich waren, sagten die beiden Studenten schon im Voraus bei der Vorstellung, dass die Patienten etwas „schwieriger“ waren, damit dies bei der Bewertung mitberücksichtigt werden konnte. Wir verteilten uns also nach der Visite erstmal in den unterschiedlichen Arztzimmern mit der Krankheitsakte unserer Patienten und arbeiteten uns ein wenig in unsere Fälle ein.

Meine Patientin hatte im Moment ihren dritten Krankenhausaufenthalt im Klinikum, da sie eine Divertikulitis (entzündete Ausstülpungen der Darmwand) gehabt hatte, die im letzten Aufenthalt einen großen Abszess gebildet hatte. Diesen hatte man entlastet und – wie es in diesem Stadium üblich ist – der Patientin zu einer Entfernung des betroffenen Darmabschnittes geraten. Da eine solche Operation jedoch nur im entzündungsfreien Intervall gemacht werden kann, musste sie zunächst 6 Wochen abwarten.

Als ich die Patientin kennenlernte, war sie am Freitag in der letzten Woche komplikationslos operiert worden und somit schon etwas länger auf Station. Bei der Visite hatte der Chefarzt mich vorgestellt, ich kam dann jedoch nochmal vorbei und stellte mich der Patientin in Ruhe vor. Danach setzte ich mich zu ihr und erhob eine ausführliche Anamnese. Die Briefe, die ich in ihrer Akte gelesen hatte, waren nämlich teilweise unstrukturiert, und ich empfand es am einfachsten, die Krankheitsgeschichte gemeinsam mit der Patientin aufzuschlüsseln. Danach erhob ich noch eine Familien- und Sozialanamnese und ging zum nächsten Schritt – das körperliche Untersuchen – über. Dabei schaute ich mir den Bauch der Patientin einmal genauer an und tastete den Bauch ab, ob ich Abwehrspannungen oder Resistenzen spürte. Währenddessen beobachtete ich auch das Gesicht von Frau K., um zu sehen, ob sie bei meiner Untersuchung Schmerzen verspürte. Dies war überhaupt nicht der Fall und soweit über das Pflaster beurteilbar, waren die Narben auch gut am Ausheilen. Frau K. bestätigte mir dies auch noch einmal, da sie heute beim Verbandswechsel zugeschaut hatte. Nachdem ich mich circa eine Stunde mit ihr beschäftigt hatte, bereitete ich sie darauf vor, dass wir am Mittwoch ein paar mehr Leute sein würden und ich würde dann am Patientenbett ihren Fall dem prüfenden Arzt und meinen Kommilitonen vorstellen. Danach verabschiedete ich mich und setzte mich wieder an den Computer. Nachdem ich nun die Krankengeschichte etwas sortierter hatte, schaute ich mir bei ihr die apparativ gelaufene Diagnostik an, um auch diese in meiner Vorstellung zu erwähnen. Zu guter Letzt beschäftigte ich mich noch mit dem Therapieschema, nach ihrer operativen Behandlung, um dieses vorzustellen.

Die Prüfung nahm zur Mittagszeit ein Oberarzt ab. Tatsächlich gingen wir alle gemeinsam zu jedem einzelnen Patienten und stellten uns diesen gegenseitig vor. Danach stellte der Oberarzt Rückfragen. Diese waren entweder direkt im Bezug zur Erkrankung der Patienten und zu dem gewählten OP-Verfahren oder etwas breiter gefächert. Bei mir stellte er beispielsweise allgemeine Fragen zu Gallensteinen und welche Symptome diese auslösen können und wie dann der Patient sich klinisch präsentiert (zur Abgrenzung bei Nierensteinen und einer Blinddarmentzündung). Weiter fragte er mich ein wenig über akute viszeralchirurgische Krankheitsbilder aus und wollte, dass ich ihm zeige, wie ich das Abdomen (den Bauch) abklopfen würde und welche Blinddarmpunkte weiter untersucht werden könnten.

Nach unseren Vorstellungen gingen wir dann in den Besprechungsraum und der Oberarzt prüfte jeden von uns reihum nochmal 15-20 Minuten. Hier waren die Fragen schon spezifischer zu den Erkrankungen unserer Patienten. Mich fragte er zuerst, welche Ursachen der Erkrankung meiner Patientin zugrunde liegen, wie das Therapieschema aussieht und ich sollte ihm nochmal die genaue Stadieneinteilung der Divertikulitis näher erläutern. Dabei sollte ich auch immer dazu sagen, ab wann operativ interveniert würde und welche OP-Techniken dazu in Frage kämen.

Er war sehr überrascht, wie gut wir alle vorbereitet waren und wie viel wir zu unseren Themen sagen konnten. Am Ende sprach er uns ein großes Lob aus und meinte auch, dass unsere klinischen Untersuchungstechniken sehr gut seien. Die Prüfung ging für uns fünf enorm lang, da wir bei allen anderen natürlich zuhören mussten und nachmittags nicht mehr so konzentriert dabei waren, wie am Anfang. Trotzdem haben wir alle eine gute bis sehr gute Leistung abgelegt und können mit unserer Ausbildung in diesem Bereich sehr zufrieden sein, denn im Endeffekt haben sich die vorklinischen OSCEs – insbesondere der OSCE in der Inneren Medizin – auch in der Klinik ausgezahlt.

Autorin: Saher Dilshad