Einer der wichtigsten studentischen Tätigkeiten in der Klinik ist das Blut abnehmen. Natürlich wird die Arbeit irgendwann langweilig und mühselig, Du solltest diese Gelegenheiten jedoch trotzdem nutzen, um darin fit zu werden. Es ist nämlich später als Assistenzarzt ziemlich peinlich, wenn Du deshalb den Oberarzt rufen muss oder wenn Du vor Studenten stehst, die Dich dazu geholt haben und dann die Venen auch nicht triffst. Dann weiß jeder im Raum: Dieser Arzt hat nicht sehr viel Übung und Erfahrung im Blut abnehmen bzw. im Legen von Venenverweilkanülen.
In meinen letzten Blockpraktikas habe ich immer wieder von Patienten, die etwas länger im Krankenhaus waren, gehört, dass die Studenten meistens besser sind in diesen Tätigkeiten als einige Ärzte. Das empfinde ich als sehr schade, denn hier gilt nur ein Prinzip: Übung macht den Meister. Auch wenn diese Aufgaben oft Studenten erledigen, sollte man sie jedoch nicht verlernen, denn dies ist einer der wichtigsten ärztlichen Tätigkeiten im Erstkontakt mit dem Patienten und somit enorm wichtig, auch für die spätere Arzt-Patienten Beziehung.
Als ich eines meiner ersten Blockpraktika in der Orthopädie antrat, bekam ich dazu direkt einen sehr guten Vergleich von zwei Assistenzärzten. Der eine Assistenzarzt schickte uns morgens zu Blutabnahmen, und wenn ich ihn später benachrichtigte, dass die Abnahme bei Patient X nicht funktioniert hat, war meistens seine erste Frage, wie oft ich es versucht habe. Wenn ich sagte, zwei- oder dreimal (natürlich nur wenn der Patient dies tolerierte), ging er mit mir gemeinsam zum Patienten, um mir zu zeigen, wie er diese Abnahme macht und auf was ich achten muss.
In der nächsten Woche hatte ich dann einen etwas unerfahrenen Assistenzarzt auf der Station. Auch hier funktionierten einige Blutabnahmen nicht. Als ich jedoch diesen dazu holte, stach der Arzt oft gleich arteriell (auch bei älteren Patienten), was mich im ersten Moment ziemlich erschreckte. Nach einer Weile merkte ich dann, dass der Arzt einfach nicht genug Erfahrung im Blut abnehmen hatte und sich vor uns Studenten nicht die Blöße geben wollte, ebenfalls an der Blutabnahme zu scheitern.
In diesem Moment beschloss ich: An dieser Stelle will ich später nicht stehen, weshalb ich unbedingt etwas ändern musste. Nachdem ich mich mit dem vorherigen Stationsarzt unterhalten hatte, fand ich heraus, dass viele Ärzte als Medizinstudenten in Blutentnahmediensten diverser Krankenhäuser gearbeitet hatten. Dadurch verdient man sich etwas dazu und wird in diesen Fertigkeiten immer besser. Somit bewarb ich mich auf meinen ersten Minijob als Studentin im Blutentnahmedienst.
Dadurch habe ich enorm viel gelernt, weshalb ich es jedem etwas unerfahrenem Medizinstudenten nur empfehlen kann. Nichtsdestotrotz möchte ich Dir im Folgenden ein paar Tipps aus meinen Erfahrungen mit an die Hand geben.
Tipps und Tricks:
Staue den Arm richtig und nehme Dir Zeit dafür! Manchmal siehst Du im ersten Moment am Arm keine Venenzeichnung, doch verliere nicht den Mut. Oft hilft es, den Arm zu stauen und erst mal in Ruhe zu tasten. Dann findest Du oft schon eine gute Punktionsstelle, nur braucht das ganze einfach etwas Zeit.
Taste auch auf jeden Fall Venen, die im ersten Moment sehr gut aussehen! Es könnte gut sein, dass der Patient Rollvenen hat und diese dann beim Zustechen verschwinden. Schiebe sie ruhig über der Haut etwas hin und her, um zu schauen, ob die Vene beweglich ist. Um sie besser fixieren zu können, hilft es bei der Abnahme an der Armbeuge, den Patienten zu bitten, den Arm komplett durchzustrecken. Dadurch ist die Vene „auf Zug“ und kann Dir dann meistens auch nicht so leicht entwischen. Bei der Abnahme an der Hand kannst Du den Patienten bitten, eine Faust zu machen und diese zu belassen, bis du die Blutabnahme abgeschlossen hast.
Du fragst Dich jetzt bestimmt, wie taste ich denn eigentlich eine Vene? In letzter Zeit habe ich bemerkt, dass jeder eine Vene anders tastet. Für mich hat sich das leichte Drücken an der mutmaßlichen Punktionsstelle bewährt. Dabei schaue ich meistens nicht auf die Stelle, sondern verlasse mich auf mein Tastgefühl. Ich versuche hierbei abzuschätzen, wie dick und elastisch die Vene tatsächlich ist. Durch das Tasten weiß ich auch oft, wie tief die Vene liegt. Das Stechen im 45° Winkel ist nicht bei allen Patienten möglich. Bei adipösen Patienten braucht man beispielsweise einen viel steileren Winkel, um die umgebene Fettschicht zu durchstechen, während bei kachektischen Patienten oft flacher gestochen werden muss.
Wenn die Vene beim Tasten verhärtet ist, ist sie oft vernarbt. Hier kannst Du dir direkt eine andere Punktionsstelle suchen. Dadurch ersparst Du nämlich dem Patienten unnötige Schmerzen und ich kann aus Erfahrung sagen, dass Du an dieser Stelle nicht in die Vene reinkommen wirst.
Wenn Du dann die Nadel zum Stechen ansetzt, dann steche gerne einen Millimeter unterhalb der zuvor getasteten Stelle. Oft zuckt der Patient etwas zurück und Du rutschst automatisch etwas höher. Bevor Du also dann die Vene durchsticht bzw., wieder aus dieser rausrutschst und einen blauen Fleck verursachst (das finden die meisten Patienten ziemlich erschreckend) ist es besser, schon von vorneherein mit dieser Reaktion zu rechnen und sich dementsprechend darauf vorzubereiten.
Es kann Dir manchmal passieren, dass Du während der Blutabnahme das Gefühl hast, dass die Nadel in Deiner Hand vibriert. Dann wird die Nadel an der Venenwand angesogen. Wenn Du einen Patienten mit schwierigen Venen hast, hilft es oft schon nur die Nadel etwas steiler zu halten und Du bist wieder im Blutfluss drin. Wenn dies jedoch von Anfang an so ist, dann musst Du wahrscheinlich die Nadel etwas zurückziehen und das Blut läuft wieder. Erschrecke Dich aber nicht von der Vibration! Denn das spürt Dein Patient und es kann passieren, dass dieser misstrauisch wird oder ganz plötzlich ganz starke Schmerzen hat. Eigentlich ist das Vibrieren der Nadel ein gutes Zeichen, denn dann hast Du die Vene getroffen und kein anderes Gefäß.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der leider oftmals unterschätzt wird, ist das Kommunizieren mit dem Patienten. Ich frage immer erst mal, wie es dem Patienten geht und ob er sich besser fühlt als am Vortag. Dadurch sind die meisten Patienten schon viel zugänglicher und haben nicht mehr so große Angst vor der Abnahme. Denn auch die Angst kann das Ertasten und Finden von Venen enorm erschweren.
Und zu guter Letzt: Solltest Du mal aus Versehen eine Arterie punktieren, dann bitte breche nicht in Panik aus. Entstaue den Arm, nimm Dir ein paar mehr Tupfer für die punktierte Stelle und ziehe Deine Nadel raus. Drücke völlig entspannt mit dem Tupfer mindestens 2-3 Minuten an dieser Stelle drauf und mache dann ein etwas dickeres Pflaster drauf. Wichtig ist, dass Du in dieser Zeit beim Patienten bleibst und selbst drückst! Denn gerade ältere Patienten vergessen das Drücken oftmals und dann hat man irgendwann ein größeres Problem. Jetzt fragst Du Dich bestimmt, woran Du denn erkennen kannst, dass Du eine Arterie getroffen hast. Erstens, das Blut ist meist viel heller und zweitens pulsiert dieses. Erst in dem Schlauch des Butterflys und später auch im Röhrchen.
Prinzipiell würde ich Dir immer empfehlen, vor einer arteriellen Blutabnahme den Arzt dazuzuholen. Eine arterielle Blutabnahme birgt viel mehr Risiken und gerade im Studentenleben kannst Du Dir noch erlauben, einen Arzt zu Hilfe zu holen. Später ist das dann eine etwas andere (peinlichere) Angelegenheit.
Autorin: Saher Dilshad