Wer sich für den Fachbereich Allgemeinmedizin entscheidet, sollte sich auch mit der Führung einer Praxis auseinandersetzen. Dies kannst Du in einem längeren Praktikum als die vorgegebenen Allgemeinmedizin-Praktika herausfinden oder – wie ich – in einem Nebenjob in einer allgemeinmedizinischen Praxis.
Ich hatte eigentlich nicht geplant, mich als Allgemeinmedizinerin niederzulassen, kann jedoch nach dieser Erfahrung sagen, dass es sich für alle lohnt, die mit dem Gedanken einer Niederlassung (auch in anderen Fachbereichen) spielen, solch einen Job mal zumachen.
Zu dem Job kam ich mitten in der Corona-Pandemie. Ich hatte aufgrund der überfüllten Krankenhäuser und bis dahin nicht so gut umgesetzten Hygieneregeln für den Blutentnahmedienst meinen Job im Krankenhaus gekündigt und war nun auf der Suche nach einem neuen. Bei einer regulären Blutentnahme bei meiner Hausärztin erzählte mir diese, dass die Praxis im Moment sehr überfüllt wäre, da bald die neuen Impfstoffe in den Hausarztpraxen anlaufen sollen und ihre bis dahin tätige Arzthelferin nun in den Ruhestand ginge. Ein Ersatz wäre nicht da, was die Lage zunehmend anspanne. Nachdem wir uns etwas unterhalten hatten, bot sie mir an, auf Minijob-Basis bei ihr einzusteigen.
Am Telefon besprachen wir noch den Verdienst und meine Arbeitszeiten, die ich größtenteils flexibel mit meinen Kolleginnen absprechen konnte. Die Ärztin nahm dabei sehr viel Rücksicht auf mein Studium, denn dieses ging im Zweifel natürlich immer vor. Angeleitet wurde ich von allen im Team. Wenn meine Hausärztin Zeit hatte, zeigte sie mir, wie ich mit dem Computersystem umgehen konnte, ansonsten kümmerten sich die medizinischen Fachangestellten um eine angemessene Anleitung. Am Anfang hatte ich sehr viel zu lernen, da dieses System völlig anders aufgebaut ist als die Computersysteme im Krankenhaus. Dabei lernte ich, wie Versichertenkarten eingelesen wurden, welche Ziffern für die Abrechnung abgehackt werden konnten, wie man Rezepte ausstellte, Termine einträgt und vergibt und vieles mehr.
Da ich vor allem bei den Covid-Impfungen helfen sollte, wurden mir diese Ziffern zuerst gezeigt, erklärt, wie hier die Aufklärungsgespräche erfolgten, wo man die ganzen Impfdateien abheften musste und wie ich alles im Computersystem hinterlegen sollte. Natürlich sollten auch die Impfpässe erstellt werden und später auch der digitale Code für das Smartphone. Ich musste hierbei sehr genau sein und sehr schnell arbeiten. Zu Anfang war die Praxis enorm gefüllt und zeitweise mussten auch mit Patienten, die nicht direkt einen Termin bekamen, einige Diskussionen geführt werden. Schnell kristallisierte sich in dieser Zeit heraus, welches Personalteam die Ärztin am besten unterstützen konnte, sodass dann feste Tage zum Impfen geplant wurden. In diesen wurden dann nur Impf- und keine normalen Sprechstundentermine vergeben.
Zum Glück lerne ich neue Sachen sehr schnell, was in der Praxis klar von Vorteil war. Bald musste ich nicht mehr angeleitet werden, sondern konnte viel selbstständig arbeiten. In einer Arztpraxis ist immer was los. Wenn es nicht viele Sprechstunden Termine gibt, dann klingelt das Telefon ununterbrochen. Dabei bist Du am Telefon der erste Helfer für die Patienten. Meistens haben die Patienten nämlich noch andere Fragen, außer einen Termin abzusprechen oder ein Rezept vorzubestellen. Sie schildern ihre Ängste und Sorgen und auch ihre akuten Beschwerden. Deine Aufgabe ist es dann zu filtern, welche Beschwerden als akut und subakut eingeteilt werden können. Hierbei solltest Du keine red flags ignorieren und wenn Du Dir nicht sicher bist, kannst Du natürlich auch den Arzt oder die Ärztin fragen, ob Du den Patienten bitten sollst, sich direkt auf den Weg zu machen bzw. sofort ins Krankenhaus zu fahren. Dies ist eine sehr wichtige Aufgabe und Du solltest sie sehr ernst nehmen, da dieser erste Kontakt die Arzt-Patienten Beziehung erheblich beeinflussen kann.
Morgens half ich bei den Blutabnahmen und machte danach das Labor abfahrbereit. Danach kamen viel Patienten zu ihren sogenannten DMP-Untersuchungen. Das ist ein strukturiertes Behandlungsprogramm, welches von den gesetzlichen Krankenkassen angeboten wird, damit eine chronische Erkrankung wie der Diabetes mellitus immer wieder regulär überprüft werden kann. Dies soll dem Arzt eine Behandlungshilfe sein und den Patienten daran erinnern, seine Termine in einem festen Zeitabstand einzuhalten und sich untersuchen zu lassen. Für diese Programme ging ich oft erst mal in das Untersuchungszimmer vor, untersuchte die Patienten und befragte sie zu Änderungen in den letzten Monaten (bspw. „Sind die Medikamente gleich geblieben? Sind sie aufgrund einer Entgleisung des Blutzuckers im Krankenhaus gewesen?“). Dies konnte ich dann alles im Computersystem abhacken und anschließend die Ärztin dazu holen. Diese schaute für gewöhnlich nur noch einmal drüber und besprach die Laborwerte mit den Patienten. Entweder mussten die Medikamente dann umgestellt werden oder die Patienten konnten mit derselben Medikation entlassen werden. Am Ende vergab ich noch einen Termin zur nächsten DMP-Untersuchung (in der Regel einmal im Quartal) und der Patient konnten nach Hause. Der Nachmittag war meistens genauso gefüllt.
Als ich dann so weit fit war, konnte ich irgendwann nachmittags alleine mit der Ärztin die Praxis führen. Natürlich war das noch mal anstrengender als zu zweit, doch jeder, der schon mal im Krankenhaus gearbeitet hat, kennt diese Belastung und auch wie man dieser standhalten kann. Oft griff mir die Ärztin auch unter die Arme, weshalb sich dann doch die Arbeit aufteilte. Abends wurden die Computer runtergefahren und die Ablageflächen desinfiziert. Meistens schloss die Ärztin selbst die Praxis ab, da sie sich noch etwas länger in Ihrem Sprechstundenzimmer aufhielt und ggf. Dinge nachtrug.
In dieser Zeit lernte ich sehr viel über die Niederlassung und wie sehr sich die ärztliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang ändert. Gerade das Patientenklientel ist ein völlig anderes und hat eine ganz andere Vertrauensbasis zu seinem Hausarzt als zu einem Arzt im Krankenhaus. Die Patienten in eine Praxis kommen immer wieder, weshalb man sie besser einschätzen und als Hausarzt auch länger mit ihnen zusammenarbeiten kann. Dadurch wurde mir auch erst klar, welche Reize es noch gibt sich niederzulassen und gerade als Allgemeinmediziner zu arbeiten.
Fazit
Durch das Erlernen der Computersysteme und wie der Alltag in einer Praxis funktioniert, bin ich im Vergleich zu anderen Studenten hier natürlich klar im Vorteil, sollte ich mich irgendwann dazu entschließen, mich niederzulassen. Nichtsdestotrotz durfte ich lernen, dass es nicht reicht, in einer Praxis nur ein guter Arzt zu sein. Ein gutes Team von Arzthelfern und Arzthelferinnen ist entscheidend, um die Praxis am Laufen zu halten und eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
Autorin: Saher Dilshad