Ärzte ohne Grenzen

Ob Not-Operationen in Kriegsgebieten, Malariabekämpfung in Indien oder die Behandlung von Tuberkulosepatienten in Afghanistan - an einem Projekt von Ärzte ohne Grenzen teilzunehmen, kann monatelanges Leben und Arbeiten unter teils gefährlichen Zuständen bedeuten. Und doch ist es für viele Mediziner ein Lebenstraum. Manche möchten sogar langfristig für die internationale Hilfsorganisation arbeiten. Doch wer kann eigentlich alles für Ärzte ohne Grenzen arbeiten? Wie sieht der Bewerbungsprozess aus und was sollte mir vor meinem Einsatz bewusst sein? Dieser Artikel verrät es dir!

Médecins Sans Frontières wurde 1971 von Ärzten und Journalisten gegründet. Ziel ist es bis heute geblieben, Menschen in humanitären Notlagen medizinisch zu versorgen und öffentlich auf ihre Notstände aufmerksam zu machen – ungeachtet von ethnischen, politischen oder religiösen Aspekten. Geburtshilfe, Malariabekämpfung und AIDS-Aufklärung sind nur Beispiele für die Arbeit, die die Ärzte und Pfleger bei Médecins Sans Frontières leisten. Neben dem medizinischen Personal ist die Organisation auch auf die Arbeit von Architekten, Bauingenieuren, KFZ-Experten, Sanitärfachkräften, Finanz- und Personalmanagern sowie von vielen weiteren Berufsfeldern angewiesen. Der Einsatz der rund 65.000 Mitarbeiter in über 70 Ländern wird insbesondere durch Privatspenden, aber auch durch öffentliche Fördermittel, Zinsen und Wirtschaftskooperationen finanziert. Ein Großteil der Projekte bezieht sich auf Afrika, Asien sowie den Mittleren Osten. Der bis dato größte Einsatz in der Geschichte der Organisation fand jedoch im Zuge des Erdbebens und des anschließenden Choleraausbruchs im Jahr 2010 auf Haiti statt. Die deutsche Sektion Ärzte ohne Grenzen wurde 1993 gegründet und ist eine von 21 Sektionen, die zusammen weltweit Hilfe leisten. Ihren Sitz hat die deutsche Sektion in Berlin.

Um dich als Arzt für ein Projekt bei Ärzte ohne Grenzen bewerben zu können, gibt es einige Voraussetzungen zu erfüllen. Ein Einsatz als Praktikant, Famulant oder PJler ist nicht möglich. Angehende Ärzte, die später für die Hilfsorganisation tätig werden möchten, können sich jedoch schon während des Studiums auf ihren Einsatz vorbereiten – insbesondere durch eine Fokussierung auf die Tropenmedizin sowie durch Sprachkurse. Approbierte Ärzte jeglicher Fachrichtung können sich bewerben. Derzeit werden neben dem Pflegepersonal besonders Gynäkologen, Chirurgen und Anästhesisten gesucht. Für diese Berufsgruppen ist der Facharzt Voraussetzung und für allgemein tätige Projektärzte nicht. Diese müssen jedoch mindestens 2 Jahre Berufserfahrung nachweisen können, die wiederum nicht länger als 2 Jahre zurückliegen dürfen. Wichtig sind Englischkenntnisse – empfohlen wird hier mindestens ein Sprachniveau von B1. Viele aktuelle Projekte finden in ehemaligen französischen Kolonien statt. Somit herrscht derzeit vor allem auch ein Bedarf an französischsprachigen Mitarbeitern. Auch Kenntnisse der arabischen Sprache können aktuell bei der Bewerbung besonders hilfreich sein. Da in sämtlichen Projekten eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern stattfindet und teils unter gefährlichen und chaotischen Verhältnissen gearbeitet wird, sind Belastungs- und Teamfähigkeit für Mitarbeiter essenziell. Ebenfalls ist Flexibilität wichtig, weil das medizinische Personal oft mehrere Aufgaben gleichzeitig übernimmt. Da es häufig zur Aufgabe eines Arztes gehört, das medizinische Personal im Einsatzland fortzubilden und zu schulen, punktest du außerdem durch Führungsqualitäten und didaktische Erfahrungen. Für eine Bewerbung bei Ärzte ohne Grenzen sind außerdem Reise- oder Arbeitserfahrungen in einem afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Land wichtig. Neben all diesen Voraussetzungen muss ein Bewerber natürlich auch Zeit mitbringen. Für das erste Projekte sollten 9 – 12 Monate eingeplant werden. Nur bei speziellen Fachbereichen wie Gynäkologie oder Chirurgie sind auch kürzere Aufenthalte möglich. Die Staatsangehörigkeit stellt keinerlei Barriere bei der Bewerbung dar, jedoch entscheidet sie darüber, bei welcher Sektion man sich bewerben kann. Die deutsche Sektion ist zuständig für Bewerber aus Deutschland, Polen, den baltischen Staaten, Weißrussland, dem westlichen Teil Russlands sowie der Ukraine.

Ärzte ohne Grenzen schreibt freie Stellen auf seiner Internetseite aus und bittet darum, keine Initiativbewerbungen zu schreiben. Der Bewerbungsprozess beginnt mit der schriftlichen Bewerbung, die optimalerweise 4 bis 6 Monate vor dem geplanten Einsatz eingereicht wird und dann von den zuständigen Personalreferenten geprüft wird. Wenn die Bewerbung überzeugt hat und aktuell Personalbedarf besteht, wird der Bewerber meist zunächst zu einem Telefonat eingeladen. Hier geht es eher um allgemeine Fragen und gegenseitige Erwartungen. Später findet ein Bewerbungsgespräch in der Hauptzentrale in Berlin statt. In diesem Gespräch geht es vorrangig um die fachliche und insbesondere auch persönliche Qualifikation der Bewerber. Die zuvor genannten Soft Skills wie Teamfähigkeit und Flexibilität sind der Organisation sehr wichtig und werden auch hier nochmal ergründet. Bei manchen Berufsgruppen erfolgt nun auch ein fachlicher Test. Verlief das Gespräch für beide Seiten positiv, erfolgt die Aufnahme des Bewerbers in den Mitarbeiter-Pool. Nun wird gemeinsam geplant, welches Projekt gut zu den beruflichen Qualifikationen des Bewerbers passt und welcher Zeitraum infrage kommt. Insbesondere beim ersten Projekt ist hier Geduld gefragt: Viele Bewerber warten mehrere Monate auf ihren ersten Einsatz.

Nach der Zusage für ein Projekt erhält der Mitarbeiter einen sozialversicherungspflichtigen, befristeten Arbeitsvertrag. Mit Hilfe der Organisation wird der Flug gebucht, das Visum beschafft und der Mitarbeiter erhält alle nötigen Impfungen. Projektbezogene Reisekosten, wie beispielsweise die für das Visum, werden übernommen. Fest zum Vorbereitungsprogramm gehören außerdem mehrere projektbezogene Briefings (wie bspw. zur Sicherheitslage in dem jeweiligen Land), ein einwöchiger Vorbereitungskurs und Sprachkurse. Auch nach der Ankunft im Einsatzland erfolgen in der Regel noch weitere Briefings. Während des gesamten Einsatzes hat jeder Mitarbeiter einen persönlichen Ansprechpartner im Berliner Büro. Sollte ein Mitarbeiter seinen Einsatz abbrechen wollen, steht es ihm jederzeit frei, auszureisen.

Im ersten Jahr verdienen Ärzte bei Ärzte ohne Grenzen ca. 1.600 € brutto pro Monat, haben gesetzlichen Urlaubsanspruch, sind kranken- und rentenversichert und werden während ihres Einsatzes medizinisch betreut. Außerdem werden dem Mitarbeiter vor Ort eine Unterkunft und Verpflegung gestellt sowie ein Tagesgeld ausgezahlt. Auch ab dem 2. Jahr bleiben die arbeitsrechtlichen Bestimmungen bestehen und das Gehalt wird je nach relevanter Berufserfahrung angepasst.

Auch nach ihrem Einsatz werden die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen betreut, u. a. durch eine tropenmedizinische Untersuchung wie auch durch psychologische Betreuung. Während Ärzte in ihrem ersten Einsatz für die Hilfsorganisation meist in der Basisversorgung der Patienten eingesetzt werden, wird ihnen in den folgenden Einsätzen immer mehr Organisationsverantwortung für das jeweilige Projekt anvertraut. Auch das Spektrum der medizinischen Aufgaben nimmt mit steigender Projekterfahrung zu.

Du bist an einem Einsatz für Ärzte ohne Grenzen interessiert? Dann lies hier weiter!

Autorin: Anne Sophie P.