Als Migrant:in als Assistenzärzt:in arbeiten

Die Bürokratie in Deutschland stellt in vielen Bereichen des Lebens eine große Herausforderung dar, nicht nur für Migrant:innen, sondern auch Einheimische lässt sie oftmals mit vielen Fragezeichen zurück. Komme ich aus dem außereuropäischen Ausland, um in Deutschland als Assistenzärzt:in zu arbeiten, gilt es je nach Art des Aufenthaltsstatus‘ ein paar mehr Formalitäten zu erfüllen. Bis man dann letztlich mit der ersten Stelle starten kann, verstreichen leider meist einige Jahre.

Auf der einen Seite muss das Fachwissen, das in einem anderen Land durch ein Medizinstudium oder auch schon durch die Arbeit als Assistenzärzt:in oder Fachärzt:in erworben wurde, überprüfbar und für das Behandeln von Patient:innen den ethischen und fachlichen Qualitätsanforderungen in Deutschland entsprechen, auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob angesichts des zunehmenden Nachwuchs- und Fachkräftemangels im Gesundheitswesen sowie einer pandemischen Krise, wie wir sie aktuell erleben, der bürokratische Prozess nicht entschlackt oder zumindest beschleunigt werden kann.

Welche Schritte sind nun zu beachten? Schauen wir uns diese am Beispiel von Mohannad S. und Saad K. an, die beide 2015 als syrische Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind – also auch den längsten bürokratischen Prozess durchlaufen mussten. Mohannad S. hat seinen Facharzt in der Gynäkologie bereits in Syrien abgeschlossen und startete im Februar 2020 als Assistenzarzt in der Gynäkologie in Schleswig-Holstein. Durch einen bürokratischen Fehler der Klinik musste Mohannad S. pausieren, konnte jedoch nach ein paar Monaten eine Stelle als Assistenzarzt in der Reha finden. Saad K. hat nach dem Medizinstudium im Sudan seine Weiterbildung in der Inneren begonnen und hat seit dem Frühjahr 2021 eine Stelle als Assistenzarzt in der Psychiatrie in Hessen.

Anerkennung der Zeugnisse

„Bei einer Legalisation muss die zuständige Behörde des jeweiligen Staates die dort ausgestellte Urkunde vorbeglaubigen. Im Anschluss daran legalisiert dann die zuständige deutsche Botschaft oder das Konsulat die Urkunde und bestätigt damit ihre Echtheit. Erst dann kann die Urkunde bei der deutschen Stelle vorgelegt werden.“[1]

Seit 2016 erfolgt leider keine Legalisation mehr für Zertifikate in Syrien, was die Anerkennung und Echtheitszertifikatsprüfung in Deutschland erheblich erschwert. Die Zeugnisse müssen übersetzt und beglaubigt und anschließend mit dem Original der ZAB (Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen) in Bonn vorgelegt werden, die die Echtheit prüfen und bestätigen.[2]

Für die Anerkennung des abgeschlossenen Medizinstudiums und sonstiger Berufsqualifikationen muss ein Antrag beim zuständigen Landesamt gestellt werden. Mohannad S. hat hierfür seine Zeugnisse und Zertifikate an das Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein (LAsD) - Abt. Gesundheits- und Verbraucherschutz gesandt.[3] Das Landesamt steht im Austausch mit der Ärztekammer und überprüft die Gleichwertigkeit. Außerdem muss der/die Antragsteller:in eine gesundheitliche und persönliche Eignung (Führungszeugnisse) vorlegen. Die Anerkennung kann bis zu 4 Monate in Anspruch nehmen. Einzureichende Unterlagen sind zudem: Antragsformular, Identitätsnachweis, evtl. Eheurkunde, Lebenslauf, Zeugnisse und Zertifikate, Erklärung über das Vorhaben (Arbeitsstelle finden oder aufnehmen) und später der Nachweis über ein Sprachzertifikat.[4]

Sprachniveau und -zertifikate

Zunächst durchliefen beide ein Asylverfahren und legten erfolgreich ihre Integrationskurse ab. Nicht gleich findet man einen Platz, Sprachkurse sind überfüllt und müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit sie auch als Integrationskurse anerkannt sind. Es sollten unbedingt zusätzlich freiwillige Kurse belegt oder Tandems gesucht werden, das erhöht auf jeden Fall die Chance, Sprachkurse zu bestehen und schneller ans Ziel zu gelangen. Wurde der Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen, so ist dieser mit dem B1 Niveau bestanden.[5] Es folgt ein B2 Kurs, anschließend C1. Möchte man als Ärzt:in Deutschland arbeiten, ist ein B2-C1 Medizin Kurs nötig, der in manchen Bundesländern sogar als Fachsprachprüfung (als erster Schritt zur Erlangung der deutschen Approbation) anerkannt wird, wenn er an einer privaten Sprachschule abgelegt wurde. So wird beispielsweise das TELC C1 Medizin-Zertifikat in Hessen, Schleswig-Holstein oder auch im Saarland anerkannt. Dies war u.a. der Grund, warum Saad K. und Mohannad S. das Bundesland NRW verließen, auch wenn bereits vielleicht Freundschaften und ein Gefühl des „Ankommens“ in dem Bundesland entstanden sind. Um beruflich voranzukommen, sind dies leider häufig notwendige Schritte.

Die medizinische Fachsprachprüfung, die bei der jeweiligen Ärztekammer stattfindet, ist Kriterium, um eine befristete Berufserlaubnis (Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 BÄO) z.B. für 2 Jahre zu erhalten, mit der beide endlich ihre ärztliche Tätigkeit nach vielen Jahren (2020 und 2021) wieder aufnehmen konnten. Die Prüfung kann beliebig oft wiederholt werden.[6] Die Berufserlaubnis ermöglicht eingeschränkte Tätigkeiten unter Aufsicht approbierten Fachpersonals. Bei Saad K. hat es 5 Monate gedauert, bis er die Berufserlaubnis bekam, denn es hängt sehr stark von der/dem jeweiligen Sachbearbeiter:in ab, wann diese ab Beantragung zugeteilt wird. Leider werden die 2 Jahre Berufserlaubnis nicht als Weiterbildungsjahre für den Facharzt anerkannt, auch wenn man als Assistenzärzt:in eingestellt wird. Beim Abschluss einer Berufshaftpflicht für diese Berufsgruppe sollte das unbedingt berücksichtigt werden, da 5 oder 6 Jahre Weiterbildung meist überschritten werden.

Wer aus dem europäischen Raum kommt, für den reicht es in manchen Fällen ein B2 Niveau vorzuweisen (z.B. in Bremen), um eine Berufserlaubnis zu bekommen. Auch in Schleswig-Holstein ist dies möglich, jedoch bekommt der/die Antragsteller:in nur eine Berufserlaubnis mit Zeitumfang von 6 Monaten, innerhalb derer die Fachsprachprüfung abzulegen ist. Anschließend wird die Erlaubnis um 18 Monate verlängert, um die Approbation zu erlangen.

Kenntnisprüfung

In den 2 Jahren bereitet man sich auf die Kenntnisprüfung vor, in der das medizinische Fachwissen abgefragt und bewertet wird. Das erfolgreiche Bestehen führt zum Erhalt der Approbation, die es erlaubt, im gesamten Bundesgebiet und unbefristet seine ärztliche Tätigkeit auszuüben. Es muss rechtzeitig, spätestens jedoch nach dem ersten Jahr Arbeiten mit Berufserlaubnis ein Termin bei der zuständigen Ärztekammer beantragt werden, damit nicht die Berufserlaubnis bereits ausläuft und Lücken entstehen. Mohannad S. berichtet von Wartelisten von bis zu 22 Monaten in Schleswig-Holstein für einen Prüfungstermin, in Niedersachsen dauert es hingegen oftmals nur 11 Monate.

Die Kenntnisprüfung besteht aus 2 Teilen: An Tag 1 muss ein:e Patient:in untersucht werden. Der/die Patient:in wird vorgestellt, es erfolgt eine umfangreiche schriftliche Anamnese, der/die Prüfer:in stellt zwischendurch Fragen. Der zeitliche Rahmen umfasst ca. 3 Stunden. Im Anschluss an die Untersuchung stellen Oberärzt:innen ca. 15 Minuten Fragen.

Teil 2, eine theoretische bzw. mündliche Prüfung findet eine Woche später statt, so ist es beispielsweise in Schleswig-Holstein die Regel. In anderen Bundesländern erfolgt Teil 2 sogar nach 1-2 Tagen. Die Prüfungskommission besteht aus 3 Prüfer:innen aus den Fachbereichen Innere Medizin, Chirurgie und z.B. Anästhesie, Pharmakologie oder Allgemeinmedizin. Der dritte Fachbereich variiert je nach Ärztekammer bzw. Bundesland. In Münster oder Düsseldorf wird meist in der Pharmakologie geprüft, so Mohannad S. Das dritte Fach wird erst 2 Wochen vor dem Prüfungstermin bestimmt. Jede:r Prüfer:in hat 20 Minuten Zeit, um Fragen an die Prüflinge aus seinem Fachbereich zu stellen, sodass die Gesamtdauer 1 Stunde umfasst. Für die Prüfung hat man nur 3 Versuche. Nach erfolgreichem Bestehen kann die Approbation erteilt werden.

Hospitation

Auch, wenn das selbstständige Arbeiten hier stark limitiert und eher auf das Beobachten beschränkt ist, so sind Hospitationen unerlässlich. Sie helfen, das deutsche Gesundheitssystem kennenzulernen und zu verstehen, bei der Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung sowie beim Erlernen der deutschen und der medizinischen Fachsprache. I.d.R. erfolgt keine Vergütung, manche Krankenhäuser ermöglichen um die 400 Euro Aufwandsentschädigung oder stellen das Essen in den Pausen. So war es meist der Fall bei Saad K. und auch Mohannad S. Da es i.d.R. schwierig ist, eine Stelle zu finden, bei der man mit Berufserlaubnis arbeiten kann, sollte mit Hospitationen überbrückt werden. Auch während der Sprachprüfungen sollten Hospitationen erfolgen und zwar in den verschiedensten Fachbereichen, da nicht garantiert ist, dass in dem Fachbereich als Assistenzärzt:in wieder begonnen werden kann, indem vielleicht bereits ein Facharzt absolviert worden ist. So ist es Mohannad S. ergangen, der nun während des Wartens auf einen Prüfungstermin in der Rehamedizin als Assistenzarzt arbeitet, da sonst zu viel Zeit verstreichen würde, bis eine geeignete Stelle in der Gynäkologie frei seine Bewerbung angenommen und eine Berufserlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit als ausreichend akzeptiert wird.[7] Saad K. hat seine Ausbildung eigentlich in der Inneren begonnen und möchte seinen Facharzt gerne in der Psychiatrie/Neurologie ablegen. Somit kann es auch eine Chance sein, einen anderen Fachbereich kennenzulernen und hier die Weiterbildung zu starten.

Autorin: Maria-Elena V.