Erfahrungsbericht: Auslandsfamulatur in Österreich

4 Famulaturen im Ausland! Als ich mich dafür entschieden habe, kam mir das Ganze noch so weit entfernt vor. Ein Jahr vorher, im vorklinischen Abschnitt habe ich meine Bewerbung für die Fächer Augenheilkunde, HNO, Urologie und Dermatologie nach Klagenfurt abgeschickt. Auch wenn Klagenfurt “nur“ in Österreich liegt, war ich sehr aufgeregt, ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen. Die Famulaturen habe ich von Januar bis Anfang März 2021 absolviert und ich muss sagen, dass sich die Erfahrung in jeglicher Hinsicht gelohnt hat! Ich bin sehr zufrieden und mit vielen neuen Eindrücken wieder nach Deutschland gekommen, denn ich habe viel gelernt. Während in dieser Hochphase der Pandemie die Blockpraktika in Deutschland für uns ausfielen, hatte ich Glück, in Österreich zu sein und viel Praxis Erfahrung zu sammeln.

Von allen Famulaturen habe ich wider Erwarten am meisten Spaß in der Dermatologie gehabt. Das Fach ist viel umfassender, als in der Vorklinik und Propädeutik gelehrt wird. Die Anamnese und die körperliche Untersuchung sind hier immens wichtig, vor allem steht im Vordergrund das einheitliche Behandeln des Patienten. Dermatologische Erkrankungen wirken sich des Öfteren auf das gesamte Körpersystem aus und sind nicht nur an einer Stelle lokalisiert. Natürlich kann es sein, dass sich Hautveränderungen lokal auf einem Bereich begrenzen, doch da wir immer versuchen, optimalerweise die Ursachen der Erkrankung zu behandeln, kann diese viel tiefgreifender sein und bedarf einer sehr genauen körperlichen Untersuchung.

Sehr gefallen hat mir, dass ich als Famulantin die Möglichkeit bekam, viel eigenständig zu arbeiten. Morgens begann mein Tag mit der Visite, die ich selbstständig im Computer mit dokumentierte. Da diese 4 Famulaturen am Anfang meiner klinischen Phase stattfanden, war es für mich sehr neu, eine gute und möglichst genaue Visite zu dokumentieren. Ich kannte beispielsweise das Wort „idem“ (was „gleicher Zustand“ bedeutet) nicht und habe es durch das Dokumentieren gelernt. Im Anschluss an die Visite folgten für den Tag die stationären Neuaufnahmen. Diese durfte ich nach Supervision bald auch allein machen und dann dem zuständigen Arzt vorstellen.

Mein absolutes Highlight in der Dermatologie war es, eigenständig sterile Hautproben zu entnehmen und im Anschluss die Haut zu nähen. Der Patient war in der Regel wach und die zu entnehmende Stelle war in der Visite markiert worden. Natürlich sollte dann von mir die Stelle vorher örtlich betäubt werden, da die Probe schon ziemlich tief sein konnte. In dieser Zeit habe ich unglaublich viel – auch für andere Fächer wie die Chirurgie und Gynäkologie – gelernt. Mittlerweile kann ich dank der Dermatologie selbstständig sterile Handschuhe anziehen, was anfangs unglaublich schwer vorkam.

Obwohl ich kein reges Interesse an der HNO habe, war auch diese Famulatur sehr lehrreich und spaßig. Das Team in Klagenfurt war super und auch hier hat der Lehrbeauftragte uns Famulanten viel in den Stationsalltag miteinbezogen. Ich finde es unglaublich wichtig, als Famulanten einen direkten Ansprechpartner zu haben und damit nicht die Orientierung in den jeweiligen Fächern zu verlieren. In der HNO bin ich auch sehr gerne mit in die Operationssäle gegangen, da ich dort viel mitarbeiten konnte. Beispielsweise durfte ich bei einigen OPs den ersten Schnitt machen oder die Drainagen setzen und natürlich auch noch mal meine Nähkünste stärken. Viele Strukturen im HWS-Bereich, die ich aus Anatomiebüchern kenne, wurden mir hier nochmal genauer gezeigt und bei einer Operation im Bereich des Ohres wurde mir sehr anschaulich die Funktion der Fazialis Äste und ihr sehr wichtiger Verlauf im Gesicht veranschaulicht.

In den Visiten durfte ich die Patienten mitversorgen und hatte sehr guten Unterricht am Bett (bedside-teaching wie man es sich wünscht). Wenn auf Station nicht viel los war, konnte ich immer in die Ambulanz wechseln und auch hier habe ich viele Basic- Krankheitsbilder wie den klassischen Lagerungsschwindel gesehen.

Die Rotationen in die Augenheilkunde und Urologie waren leider nicht sehr bereichernd.

In der Urologie habe ich insgesamt zwei Wochen verbracht und leider hatte sich bis auf einen Assistenzarzt und einem Oberarzt niemand besonders um mich gekümmert. Ich stand bei einigen OPs mit am Tisch und konnte einiges sehen, jedoch bekam ich nicht viel erklärt. Doch wenn der Oberarzt operierte, erklärte er mir sehr viel und stellte auch Gegenfragen und wenn der Assistenzarzt Dienst hatte, konnte ich einige Nieren mit dem Sonografie Gerät selbstständig schallen. Der Arzt zeigte mir dabei, auf was ich genau achten sollte und wieso das Schallen der Niere nach einer Operation so wichtig ist. Einige Zeit verbrachte ich auch in der Ambulanz, wo ich das Blut abnehmen und Zugänge legen intensiver lernen konnte.

In der Augenheilkunde war ich nur eine Woche unterwegs und auch hier gab einen Oberarzt, der mir vieles erklärte und auch zeigte. Beispielsweise was der grüne Star ist und welche Operationsmöglichkeiten es heutzutage gibt. Leider sah ich jedoch keine Augen Operationen, sondern war nur in den Ambulanzen und schaute dort zu.

Obwohl Österreich das Nachbarland von Deutschland ist, gibt es einige wichtige Unterschiede im Gesundheitssystem. Zum Beispiel war ich sehr überrascht, dass im Klinikum so viele Fachärzte tätig sind und das nicht als Oberärzte. Dies kann ich nur befürworten, denn dadurch waren alle Ärzte etwas weniger ausgelastet und ich konnte darauf zählen, dass ich pünktlich aus der Klinik rauskomme. Das ganze Arbeitsklima war dadurch nicht so stressig und viele Ärzte, die in Österreich arbeiten, haben mir erzählt, dass sie aufgrund der attraktiven Arbeitsbedingungen von Deutschland nach Österreich ausgewandert sind. Meistens fing mein Tag um 7.30 Uhr an und ich war gegen 14 Uhr aus der Klinik raus (was auch der Arbeitszeit der meisten Ärzte entspricht) und hatte viel Zeit, Österreich und die Stadt Klagenfurt zu sehen.

Jeder, der eine Famulatur in Klagenfurt plant, sollte sich auch Zeit für die Stadt nehmen, denn Klagenfurt ist auf jeden Fall sehenswert! Es war eine wunderbare Zeit und ich bin froh, dass ich ein Auslandsblock gemacht habe, obwohl ich das zuerst in meinem Studienverlauf nicht vorgesehen hatte. Das Klinikum Klagenfurt ist gewohnt, Famulanten aus dem Ausland aufzunehmen und ist dementsprechend sehr gut aufgestellt. Die Kommunikation funktioniert dementsprechend hervorragend, man kriegt am ersten Tag alle wichtigen Infos von der Verantwortlichen im Personalbüro und es werden alle organisatorischen Sachen wie Essensmarken, Kleidung und Namensschilder vorher erledigt. Sehr lobenswert ist hierbei, dass es für uns Studenten eine Anlaufstelle im Personalbüro gibt und wir nicht noch einmal mit jedem Lehrbeauftragten vorher einzeln kommunizieren müssen bezüglich der Organisation der Famulatur. Das Klinikum Klagenfurt bietet einen lehrreichen Alltag, gute Organisation und natürlich auch sehr wichtig: Eine sehr große Auswahl beim Mittagessen!

Autorin: Saher Dilshad